ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

wellen-1
Entourage
mallorca-1
kueste-1
hafen-1
nixe-1

Anekdoten

Anekdoten, die über Ludwig Salvator erzählt werden und ihn wunderbar charakterisieren, sind zahlreich. Seine Bescheidenheit und Güte, die unaufdringlich „leutselige“ Art und seine Volksverbundenheit waren im ganzen Mittelmeerraum sprichwörtlich. Die Schlichtheit seines Wesens kam optisch besonders in der Kleidung zum Ausdruck, sodass der spanische Dichter Unamuno den Erzherzog einst als einen „Diogenes aus fürstlichem Geschlecht“ bezeichnete und das Wort “ Archiduque“ auf Mallorca sogar als scherzhafte Bezeichnung für schlecht angezogene Leute verwendet wurde. Auch seine Umgangsformen waren einfach. Des einheimischen Dialekts, des Mallorquinischen, mächtig, verkehrte er mit der Bevölkerung auf freundschaftlichem Fuße und ließ sich von den Bewohnern der Insel – obwohl Großonkel ihres Königs – mit dem vertraulichen „Du“ anreden. Die folgenden Anekdoten hat die auf Mallorca lebende Wiener Historikerin Dr. Helga Schwendinger in Gesprächen mit Einheimischen erfahren und zusammengetragen. Ob sie immer ganz der Realität entsprechen, möge dahingestellt sein. Ein Körnchen Wahrheit steckt wohl in jeder von ihnen.

Erzherzog Ludwig Salvator und der Wiener Maler Erwin Hubert unternahmen eines Tages eine Bahnfahrt, während der sie sich in italienischer Sprache unterhielten. Im selben Abteil saßen zwei junge österreichische Offiziere, die sich über die Kleidung ihres Mitreisenden – Erzherzog Ludwig Salvators Nachlässigkeit in puncto Kleidung ist ja hinlänglich bekannt – lustig machten und ihn für einen Schweinehirten oder dergleichen hielten. An der Grenze stellt sich die wahre Identität des „Schweinehirten“ heraus. Die beiden jungen Männer, sich dessen bewusst, was ihre Spöttelei über ein hochrangiges Mitglied des regierenden Herrscherhauses bedeuten konnte, fielen vor dem Erzherzog auf die Knie und stammelten Worte der Entschuldigung. Mit der Bemerkung, sie sollten in Zukunft davon absehen, irgendjemanden nach seiner Kleidung zu beurteilen, der Schein könne trügen, ließ Ludwig Salvator die schuldbewussten, um ihre militärische Laufbahn und Existenz fürchtenden Offiziere in großer Verwirrung zurück und stieg lächelnd aus dem Zug. Sein Auftreten, seine Kleidung, die ihn kaum von den mallorquinischen Landarbeitern unterschied, waren des Öfteren Grund für – den Erzherzog erheiternde – Zwischenfälle.

Der Karren eines mallorquinischen Bauern hatte sich in der vom Regen aufgeweichten Erde in der Nähe von Son Marroig auf Mallorca festgefahren. Der Erzherzog half dem armen Mann, Pferd und Karren aus dem Morast zu ziehen, und bekam für seine Mühe ein Trinkgeld, um sich zur Stärkung ein Glas Wein kaufen zu können. Der Erzherzog soll diese Münze in Miramar aufbewahrt haben und sie seinen Gästen und Freunden mit der Bemerkung „Das ist das erste Geld, das ich in meinem Leben verdient habe“, voller Stolz gezeigt haben. 

Auch anlässlich seines Besuchs in Los Angeles ergab sich für Ludwig Salvator eine Gelegenheit, Geld zu verdienen:
„Des Morgens, als wir in Fifth Avenue ein schönes, auf das Sorgfältigste ausgeführte Haus eines der reichsten Männer in New York genau besichtigten, einen spätgotischen- und Renaissance-Bau, zu dem manche der schönen Pfeilerchen und Reliefs des Dogenpalastes das Muster geliefert hatten, offerierte uns ein Mann 3$ pro Tag, wenn wir als Steinmetze dabei arbeiten wollten.

Einmal hielt man den Erzherzog für einen Schweinehirten, ein anderes Mal für einen Arbeitssuchenden, ein drittes Mal für einen Koch. Diese Episode erzählt man folgendermaßen:
„Wie so oft saß der Erzherzog bei einer Fahrt durch Ragusa wieder einmal am Kutschbock neben dem Kutscher, während der Sekretär Antonio Vives und dessen Kinder, alle in weiß gekleidet, im Wageninneren Platz genommen hatten. Der Wagen erweckte die Neugierde der Vorübergehenden, und einer von ihnen glaubte, in Antonio Vives den Fürsten, in Ludwig Salvator hingegen den Koch erkannt zu haben. Auf die Frage, wieso er zu diesem Schluss gekommen sei, antwortete dieser: „Der am Kutschbock Sitzende ist der Dickere, und sein Anzug ist übersät von Flecken.“

1896 soll sich in Ragusa, dem heutigen Dubrovnik in Jugoslawien, eine ähnliche Episode rund um das Inkognito des Erzherzogs zugetragen haben. Diese Anekdote tauchte in diversen Zeitungen auf:
„In Ragusa sah man während einer Woche täglich zwei Schiffsleute mit Körben, in denen sich Viktualien befanden, den Weg nach Gravosa wandern. Mit ihnen ging ein etwa fünfzigjähriger Herr. In der Vorstadt Pile nahmen sie einen Wagen. Die Schiffsleute setzten sich in den Wagen, der Herr nahm neben dem Kutscher Platz, und so ging es nach Gravosa. Dieser Herr, welcher täglich in der Stadt Einkäufe machte, war Erzherzog Ludwig Salvator. Derselbe kam mit seiner Yacht Nixe und hielt sich dort im strengsten Incognito auf. Der Prinz liebte solche Ausflüge, bei denen er, aller konventionellen Rücksichten seiner hohen Stellung ledig, sich frei bewegen kann. Der Hafenkapitän von Gravosa hörte, wie man sich in Ragusa von der Anwesenheit eines Mitgliedes des Kaiserhauses erzählte, und er kam auf die Yacht, um sich dem Erzherzog zur Verfügung zu stellen. Auf dem Schiffe traf er denselben Herrn, der immer mit den Schiffsleuten einkaufen ging, aber so gekleidet war wie alle Übrigen. „Wo finde ich den Kapitän?“ fragte ihn der Hafenkapitän. „Der bin ich selber!“ „Ich höre, dass sich auf dem Schiffe eine hohe Persönlichkeit befinde?“ „Das ist nicht richtig, denn wir sind hier alle gleich, war die lakonische Antwort, durch welche der Kapitän-Erzherzog, jede weitere Konversation abschneidend, deutlich zu erkennen gab, dass er sein Incognito gewahrt wissen wolle.“

Rein äußerlich hatte Ludwig Salvator wirklich nichts mit einem Erzherzog gemein, er entsprach keinesfalls der landläufigen Vorstellung von einem Prinzen: „Einer seiner Untertanen reiste einmal nach Barcelona und stieg dort in einem kleinen Gasthof ab; als er eines Abends heimkehrte, teilte ihm der Wirt mit, dass ein „Matrose“ ihn gesucht und da er ihn nicht angetroffen, einen Zettel für ihn hinterlassen habe. Auf dem Zettel stand: „Neudorf hat Sie gesucht.“

Bezeichnend für sein Wesen ist auch die folgende Episode, welche man sich auf Mallorca erzählt: „Als der Erzherzog von einem Grundbesitz als Renommiergast zu einer Familienfeier gebeten wurde, erschien er auf ausdrücklichen Wunsch tatsächlich im eleganten Gesellschaftsanzug. Er ließ sich an den Ehrenplatz der Festtafel komplimentieren, aß jedoch die als Vorspeise servierte Suppe nicht, sondern schüttete sie in die beiden Außentaschen seiner Jacke. Dann erhob er sich abrupt und verabschiedete sich mit der Begründung: „Sie haben nicht mich, sondern meinen Anzug eingeladen – und der ist satt.“

Kaiserin Elisabeth von Österreich besuchte den Erzherzog zweimal in seiner selbst erwählten Heimat im sonnigen Süden. Bei ihrem ersten Besuch – ihre Yacht lag neben der Ludwig Salvators in der Bucht der Foradada – führte sie der Gastgeber voller Begeisterung für die Schönheit der mallorquinischen Landschaft über die Inseln. Mit Enthusiasmus, erfüllt von Bewunderung und Liebe für „sein Paradies“, zeigte der Erzherzog seiner kaiserlichen Verwandten die Estaca, Miramar, Soller – und wartete ungeduldig auf eine Reaktion der sich kühl und reserviert gebenden Kaiserin. Doch sie schwieg. Am letzten Tag begleiteten der Erzherzog, Senor Herreros und zahlreiche Mitglieder des „Fürstenhofs von Miramar“ den hohen Gast zu dessen Yacht. (Noch Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichneten die alten Fischer diese Stelle mit „embarcadero de la Imperatriz“, zu Deutsch: Anlegestelle der Kaiserin). Beim Abschied soll die Kaiserin gesagt haben: „Jetzt wird mir Korfu weniger gefallen!“ In einem einzigen Satz drückte die Kaiserin von Österreich ihre Bewunderung für die Insel Mallorca aus, ein einziger Satz, der ihren Gastgeber in einen Freudentaumel versetzte: „Habt ihr gehört, was die Kaiserin gesagt hat – jetzt wird ihr Korfu weniger gefallen!“

Als die „Nixe“ eines Tages im Hafen von Porto Pi on Palma de Mallorca lag, wurde auch der Fäkalientank entleert. Unglücklicherweise befand sich just zu diesem Zeitpunkt ein Fischer mit seinem Boot in der Nähe und wurde von der stinkenden Brühe getroffen. Lautstark schimpfend und fluchend machte er die Mannschaft auf seine missliche Lage aufmerksam und wurde prompt an Bord der Jacht geholt. Nachdem er seine Kleidung abgelegt hatte und ordentlich gewaschen worden war, versorgte ihn der Erzherzog zunächst höchstpersönlich mit einem Leintuch, um die Blöße des guten Mannes zu bedecken. Da dessen Wehklagen jedoch kein Ende nahm, steckte der peinlich berührte Ludwig Salvator den Fischer schließlich in seinen besten Frack und überreichte ihm zudem einen stolzen Geldbetrag als Entschädigung für das erlittene Unbill. Als der unversehens elegant eingekleidete und gut entlohnte Mallorquiner sich anschickte, die Yacht zu verlassen, vergaß er nicht, den Erzherzog zu fragen: „Und wann bitte wird das nächste Mal die Gülle der „Nixe“ ausgeleert?“.