ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres
Druck und Verlag: Woerl’s Reisebücher-Verlag / Leipzig
Erschienen: 1900
Quart, XVII, 151 Seiten, 98 Tafeln und eine gefaltete farblithografische Karte.
Antonietta Lancerotto gewidmet.
Umfassende mit zahlreichen Illustrationen versehene Beschreibung des in der Nähe der ägyptischen Stadt Alexandria gelegenen Vor- und Ferienortes Ramleh, wo Ludwig Salvator im Ortsteil San Stefano zwischen 1900-1914 ein Wintersejour an der „eleusinischen Riviera“ besaß.
Buchbesprechung in „Dillinger´s Reisezeitung vom 20. Juni 1900:
Ein Wintercurort in Aegypten.
Die Reiseliteratur ist durch ein neues vornehmes Buch bereichert worden; vornehm durch seine Herkunft, durch seine Ausstattung und den Gegenstand, den es behandelt. Der Verfasser ist ein Prinz unseres kaiserlichen Hauses, Erzherzog Ludwig Salvator; der Ausstattung des Werkes ist von der Verlagsanstalt, Wörl’s Reisebücherverlag in Leipzig, die liebevollste Aufmerksamkeit zugewendet worden und den Stolf bildet Ramleh, das Lieblings-Seebad der modernen wie der antiken Bewohner von Alexandrien.
Wie das Werk entstanden, das erzählt der Autor im Vorworte folgendermassen: „Nachdem ich mich vergeblich um eine Schilderung Ramlehs umgesehen hatte, dachte ich daran, dass einige Worteüber diesen, von den Alexandrinern so beliebten Strand nicht unwillkommen wären, und so entstanden diese Seiten und Skizzen.
Die Beliebtheit Ramlehs ist aber nichts Neues, sondern nur eine Wiederholung antiker Verhältnisse. Diese, vor einigen Jahrzehnten noch verlassenen wüsten Dünen waren auch in alten Tagen mit blühenden Ortschaften und lachenden Villen besetzt, die Stätten der Lust und des Vergnügens. Es scheint mir von Interesse zu sein, soweit als möglich diese längst vergessenen Erinnerungen dem Geiste wieder vorzuführen und nach Schilderungen der gegenwärtigen Verhältnisse mit Bezugnahme auf die jetzige Topographie soweit als thunlich die alten Plätze zu identificiren.“
Erzherzog Ludwig Salvator ist als Reiseschriftsteller nicht unbekannt, als Mittelmeerforscher zählt er zu den Gelehrten und ebenso ist er im Gebiete der Kunst und Wissenschaft als Mäcen geschätzt. Wie er mit der Feder zu schildern weiss, davon geben nachfolgende Stellen aus seinem Buche sprechende Proben:
„Ein Sandstrand hat für mich immer eine eigene Poesie besessen, die Wellen sind nicht durch vorstehende hinausragende Riffe gebrochen oder eingeengt, sondern sie kommen frei, unabhängig an’s Ufer, wo sie sich brechen, allerhand Formen annehmend. Stunden und Stunden kann man da sitzen und auf das sich stets ähnliche, aber nie ganz wiederholende Schauspiel sehen. Eine Welle sieht gänzlich der anderen gleich, und jede scheint, wenn sie sich am Strande bricht, die eigene Seele im letzten Seufzer auszuhauchen.“
Oder an einer anderen Stelle: „Die Welle will nicht vorwärts, sie wälzt sich über sich selbst, liebkosend, wie im Spiele, und dehnt sich sanft, silberverbrämt, am sammtartigen Strande. Man möchte sagen, dass alle Silber-Filigranarbeit der Welt sich eingefunden hätte, um ihr diese Verbrämung zu machen, manchmal glaubt man, es seien tausende von Perlen, die sie wälzt, manchmal wieder, wenn sie höher empor steigt und die Gluth der untergehenden Sonne in ihrer Höhlung widerspiegelt, dass sie mit tausenden von Rubinen
ausgelegt wäre. Und blickt sie tief und dunkel nachdenkend hinab und spiegelt sich das Grün der Seetange in ihren Aushöhlungen wieder, dann scheint sie mit tausenden von Smaragden austapeziert zu sein. Aber das Blau des Himmels, den sie ewig zurückspiegelt, ist ihre Lieblingsfarbe, und stets bleibt sie silberverbrämt, ob sie am See-Ufer rauscht oder ob sie sich darauf wälzt, sanft liebkosend und scherzend.“
Der Natur- und Menschenfreund, der in dem Autor des Buches lebt, kommt in folgender Stelle so recht zum Wort: „Mir graute es jedesmal, wenn ich an dem vergitterten Portale eines Reichen vorüberkam, wo niemand hinein durfte und wo Diener wie Phantome still und ruhig dahinwandelten, ihren gelangweilten Herrn nur mit ihrer Gegenwart langweilend, und es lachte schon mein Herz, wo ich an einem offenen Beduinen-Zelt vorüberkam, wo die Kinder scherzten und gellten, wo in der Nähe die Kameele brüllten, die
Pferde wieherten und die Zicklein blöckten. Es ist rührend anzusehen, welche Zärtlichkeit alle die Thiere dieser Naturmenschen für den Menschen haben, mit dem sie leben, mit dem sie an kalten, regnerischen
Tagen das Zelt theilen. Ach, da habe ich häufig ausgerufen: „Das Glück i.st in der Freiheit, in der Wüste!“ … „Denn mir hat nie etwas eine Freude bereitet, was Anderen unangenehm gewesen wäre, und ich habe immer nur in der Freude meiner Mitmenschen ein Vergnügen erblickt.“
Ramleh heisst Sand und so wird auch das ganze Dünenland genannt, das sich aus den üppigen Gemüsegärten im Osten von Alexandrien nach der Ibrahimieh, das als Eleusis, vom jetzigen Sidi Gaber bis zum Vorsprunge von Aboukir, dem ehemaligen Canope, hinzieht. Wichtig im Alterthum, der Sitz der Vergnügungen, wurde es zu einer förmlichen Wüste, auf welcher erst in neuester Zeit Landsitze entstanden, von der reineren Luft und der frischen Brise angelockt. Jede Stadt hat das Bestreben sich zu erweitern; man sucht einen Platz, um das mühsam erworbene Geld zu geniessen, einen gesunden Punkt, fern von der Ausdünstung vom Staube und von der Hitze der Grossstadt. Dieses hat Alexandrien auch mit Ramleh gethan. Anfangs waren es einzeln stehende Häuser, hie und da verstreut, und allmählich haben sich dieselben zu Gruppen entwickelt. Wo noch vor wenigen Jahren nur vereinzelte Häuser standen, reiht sich Villa an Villa, und wenn es so vor wärts geht, wird der Tag kommen, wo das Ganze ein förmlicher Stadttheil sein wird, von Gärten durchsetzt.
Ramleh! Auch der Name klingt mild, sanft wie der Sand seines Ufers, wo das Meer mit
langgestreckten Riffen liebkost und die Luft labend und milder weht. Die weit zerstreuten, zahlreichen, an diesem Strande gelegenen Wohnstätten verbindet eine Eisenbahn, die auch den Verkehr mit Alexandrien
vermittelt. Viel fremdländisches Element, unter dem sich selbstverständlich das englische besonders bemerkbar macht, bevölkert das Bad, doch ist der ägyptische Charakter in den Anlagen und Strassen mit ziemlicher Consequenz gewahrt. Man ersieht dies deutlich aus unseren, dem Buche „Ramleh“ entnommenen Illustrationen nach Zeichnungen des Erzherzogs. In diesen Illustrationen spricht sich ein hübsches Talent, ein Blick für das Malerische aus.
Das Buch, einer Dame, Antonietta Lancerotto gewidmet, scheidet .sich in zwei Theile, in die Besprechung und Schilderung der topographischen Verhältnisse, des Klimas, des geologischen Baues, der Thier- und Pflanzenwelt, der Bevölkerung und endlich der einzelnen Niederlassungen. Viele hübsche, mit inniger Liebe im Freien geschaffene Federzeichnungen ergänzen dankenswerth das Wort. Der zweite Theil enthält eine geschichtliche Monographie dieses Küstenstriches, der in alten Tagen wie jetzt von Erholungs- und Erquickungsbedürftigen mit Vorliebe aufgesucht wurde. Er ist aus der bestbekannten Feder des Directors des archäologischen Museums in Alexandrien, Dr. Giuseppe Botti, einem gründlichen Kenner der antiken Zustände des Nildelta.
Das Buch des Erzherzogs Ludwig Salvator ist für Ramleh ein werthvolles Geschenk. Wir können es nicht aus der Hand legen ohne den leisen Wunsch, dass auch unsern heimischen, von der Natur so bevorzugten, aber vom internationalen Publicum leider noch immer vernachlässigten Curorten gleichfalls bald ein so
hochmögender, liebevoller und splendider Schilderer erstehen möge, als dem fernen ägyptischen Strandbade.
Zante, il fior di Levante – eine kleine Reise auf die Ionische Insel Zakynthos, die Ludwig Salvator 1904 einzigartig monografierte.
Das Ludwig-Salvator-Buchdigitalisierungsprojekt in Kooperation mit der Medienagentur Reithofer & Partner.
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Herbert und der Archeduque – die erste deutschsprachige Filmdokumentation über EH Ludwig Salvator (1983).