ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres
Druck und Verlag: Heinrich Mercy Sohn, Prag
Erschienen: 1901
Rollbild, 368 x 60 cm
Auf der Vorderseite des über 3,5m (!) langen Rollbildes ist ein außergewöhnliches Panoramabild der alten Hafenstadt Iskanderia Issica (heute Iskenderun-Türkei) an der syrisch-phoenizischen Küste zu sehen, von der einst aus über Aleppo der Handel mit Mesopotamien organisiert wurde. Ludwig Salvator hat diesen vergessenen Ort wiederentdeckt, beschrieben und in diesem einzigartigen Panorama grafisch festgehalten. Die Vorderseite zeigt auf 46 x 270 cm die Häuser und Hafenanlagen der Stadt, im Hintergrund ist der 1500 m hohe Berg Amanus zu sehen. Rechts und links von der Ansicht befinden sich zwei Karten (jeweils 46 x 37 cm), die den Golf und die Bucht von Alexandrette zeigen. Die hintere Seite des Rollbildes enthält umfangreichen Text zu Geschichte und Bedeutung der Stadt. Das Rollbild ist zwischen zwei Rundstäben gefasst, die an den Enden mit Ringen versehen sind. An der Oberkante sind Schlaufen zum Aufhängen angebracht.
ORIGINALTEXT DES ROLLBILDES:
„Man braucht nur einen Blick auf die Karte des alten Continentes zu werfen, um die Wichtigkeit der Lage von Iskanderun oder Alexandrette zu erkennen und diese Wichtigkeit hat auch der jetzige Sultan wahrgenommen. Unweit südlich vom rechten Winkel, den die Südküste Kleinasiens mit der syrischen bildet, gelegen, wird dessen Bedeutung als der einzige sichere, grosse natürliche Ankerplatz an diesen beiden Küsten durch die Nachbarschaft des Persischen Golfes und durch das wichtige Mesopotamien im Hintergrunde noch erhöht.
Die grossartige Bucht von Alexandrette war schon im Alterthume, als noch die Mündung des Orontes schiffbar war, ein wichtiger Angelpunkt des Verkehres zwischen dem Occident und den hinter dem Euphrat und Tigris liegenden Ländern. Iskanderun ist nunmehr nur ein kleines Städtchen, aber die Vortheile seiner Lage sind geblieben und es wird früher oder später der Tag kommen, wo sie wieder zur Geltung gelangen wird.
Der Golf von Iskanderun wird im Norden und im Osten von zwei Gebirgszügen, namentlich von dem alten Amanus, der bis 1500 Meter in die Höhe emporragt, wie von einer Gabel umschlossen. Im Norden ist der Amanus von den gewaltigen Massen des Taurus durch enge Schluchten getrennt, durch die sich der Tyramos drängt, um seine Gewässer gegenüber von Alexandrette in den Golf zu ergiessen. Aus der schmalen Ebene zwischen dem Meere und dem Amanus führen nur wenige Pässe nach Osten und nach Norden.
Die Ebene von Alexandrette ist von allerjüngster Entstehung und eigentlich in fortdauernder Bildung begriffen. Es ist ein Stück Land, welches durch die allmähliche Emporhebung sandiger Sedimente des Meeres fortwährend anwächst, die Bucht ausfüllt und die See zurückdrängt. Die tieferen Abzugscanäle haben die marinen Sand- und Mergel-Diluvionen entblösst. Ein Meeres-Diluvium von grobem Kalkstein-Conglomerat sind auch die niedrigen Hügel an der Küste nördlich von Alexandrette.
Die sumpfige Ebene von Iskanderun wird von einem Riesendamm von meterhohen Dünen am Meere begrenzt, der wohl zuweilen von den kleinen Bergbächen durchbrochen erscheint, doch sind die verschiedenen Mündungsstellen derselben meistentheils durch die Sandmassen des anrollenden Meeres verstopft, wodurch den süssen Wässern der herabkommenden Torrenten und zahlreicher dort empordringender Quellen jeder Abfluss mangelt. Die Folgen hievon sind die ausgedehnten Sümpfe und Tümpel, welche bis zu den Geröllbänken und Bergabdachungen reichen, und der weite Moorboden, der keine Kultur zulässt und somit keine Ortschaften trägt. Diese Sümpfe sind mit hohem Gras bewachsen und enthalten Süsswassermuscheln.
Die Nachtheile der sumpfigen Nachbarschaft könnten durch die Canalisirung und Anschüttung leicht behoben werden, wie es auch zu nicht geringen Vortheilen der Ortschaft bereits zum Theil geschehen ist. Und tathsächlich, was vor wenigen Jahrzehnten nur eine Ansiedlung mit ärmlichem Holzboden war, ist heute schon zu einem Städtchen emporgewachsen. Gänzlich sanirt, könnte Alexandrette zu grosser Bedeutung gelangen.
Das Klima weist infolge der eigenthümlichen Lage Alexandrettes grosse Gegensätze auf. Im Norden und Nordwesten herrscht das rauhe Klima des kleinasiatischen Plateaus, in den Ebenen von Antiochia und Aleppo brennt die Sonne so heftig wie über Mesopotamien. Anfangs Juni flüchtet man vor der sengenden Hitze in die Bergdörfer, umso mehr, als auch die Luft in der Gegend vor Alexandrette von Mai bis October ungesund ist. Alexandrette war bis 1873 so ungesund, dass nur wenige Europäer in dem nahen Orte bei Lân wohnten. Im Winter wird die Umgebung auf weite Strecken überschwemmt und stellen sich in dieser Jahreszeit auch heftige Gewitter ein. Der Amanus ist fast stets in Wolken gehüllt. Reiche Niederschläge an seinen immergrünen Abhängen lassen die von ihm sich gegen den Meerbusen stürzenden klaren Bäche, welche auch die Sümpfe ernähren, nie versiegen.
Die Rheede von Alexandrette ist zu drei Viertel von schützenden Bergen umgeben. Zweifelsohne ist Alexandrette der beste Ankerplatz der ganzen syrischen Küste. Die Winde von Aussen dringen dort nicht ein; die Nordwinde, die nur im Winter und zwar selten wehen, verursachen dort ziemlich viel See, aber ohne Gefahr für die dort verankerten Schiffe, da der Grund einen trefflichen Halt darbietet. Häufiger sind die Landwinde; der Ostwind lässt sich durch sehr heftige Windstösse verspüren, die von dem Berge Racquie herabkommen.
Der Berg Racquie, durch seinen steilen, tiefen Einschnitt weit bemerkbar, ist eine gute Landmarke, um den Ankerplatz aufzufinden. Man kann auf der ganzen Rheede in einer Tiefe von 10 bis 20 Metern ankern, aber der beste Ankerplatz ist 600 Meter nördlich vom Landungsplatz, weil die Windstösse von Osten dort weniger heftig sind, je weiter nach aussen zu. Die Meeresströmung herrscht gegen Nord-Nordosten vor.
Bei Nacht wird die Rheede von Alexandrette durch einen Leuchtturm erleuchtet. Derselbe ist auf der Landspitze, etwa 20 Meter vor ihrem Ende, errichtet und besitzt übereinander angelegte, weisse Feuer. Die Seehöhe des oberen Feuers beträgt 15 Meter bei einer Leuchtweite von 8 Seemeilen. Die geografische Lage des Leuchtthurmes von Alexandrette, welcher zwanzig Meilen von der westlichen Spitze der Rheede entfernt ist, wird mit 36° 35’ 30’’ nördlicher Breite und 36° 10’ 20’’ östlicher Länge von Greenwich angegeben. Iskanderun oder Scanderun der Türken, Alexandretta der Italiener, Alexandrette der Franzosen ist das alte Isscanderia, welches zu Ehren Alexanders gebaut wurde, um seine Macht an diesem Ende des syrophönizischen Ufers zu sichern. Es war auch in ihrer Nähe, wo der Mazedonier im Spätherbste des Jahres 333 v. Christus seinen grossen Sieg über Darius erfocht und damit sich den Weg eröffnete, der ihn nach Babylon führen sollte. In dieser grossen Schlacht von Issos, nördlich von Alexandrette, bestanden der Schätzung Polybius’ nach die Streitkräfte Alexanders aus 42.000 Mann Infanterie und 5000 Mann Cavallerie, während Darius 30.000 Reiter und 30.000 griechische Söldner hatte; nach Arrian waren es sogar 90.000 Hopliten, theils Griechen, theils wie die Griechen bewaffnete Kartaken, dann 30.000 vorgeschobene Reiter und 20.000 leicht Bewaffnete. Durch einen kühnen Durchbruch durch die Mitte des feindlichen Heeres erlangte Alexander den Sieg.
Dass Alexandrette eine Gründung des grossen mazedonischen Helden war, wird nicht bloss aus dem Namen gefolgert, Skymnos von Chios erwähnt in seiner Küstenbeschreibung ausdrücklich diese Alexandreia Kilikien’s als Gründung von Makedonen und das geografische Lexikon des Stephanus von Byzanz führt diese Stadt als achte Gründung auf. Gewiss hat der Scharfblick des Siegers von Issos die Vorzüge der Bucht und des Ankerplatzes ebenso gut erkannt wie ihm dieser an anderen Küstenpunkten gelang, z.B. an der Mündung des Indus, an der des Tigris, um vom ägyptischen Welthafen nicht zu reden. Die Trefflichkeit des Ankerplatzes verbunden mit der Lage nahe dem zum Orontes führenden Bergübergange bürgt uns dafür, dass die Alexanderstadt an der Stelle der jetzigen Alexandrette lag und nicht anderswo. Mag auch die Neugründung in der Folgezeit zu keinem hohen Flor gediehen sein, weil schon die Seleukiden ihre Gründung Seleukeia an der Mündung des Orontes mit stärkerer Gunst bedachten und weil andererseits die Versumpfung beim Alexanderhafen den Aufschwung desselben verhinderte. So geben doch zahlreiche Urkunden aus dem Alterthum vom Fortleben der Gründung Alexanders Kunde. Ausser den Erwähnungen bei Plinius und Ptolemeus kommt der griechische Stadiasmus des Mittelmeeres (geogr.gr.ed.C.Mulerus I 427-517) von einem ungenannten in Betracht, worin bei der Schilderung der syrisch-kilikischen Küste 250 Stadien vom rhosischen Vorgebirge oder dem heutigen Râs Al-Chanzir „Eberkopf“ bis Alexandreia, von Alexandreia nordwärts bis Hieron (=Arae Alexandri an der Mündung des Pinarus oder des heutigen Deley-Cai südlich vom verschollenen Küstenpunkt Issus) 195 Stadien gezählt werden; im Besonderen werden von Alexandreia zu den „kilikischen Pforten“ oder den Jonas pilars der Gegenwart 45 Stadien oder etwas über acht Kilom., nach dem Südhafen Myriandros (Borbonclum der italienischen Portolane) 80 Stadien oder fast 15 Kilom. gerechnet – Entfernungszahlen, welche an und für sich die Gleichheit der Lage von Alexandreia und Alexandrette beweisen würden, wenn nicht theilweise Nachbesserungen von Seiten der Kritiker Platz gegriffen hätten. Dann haben wir die römische Welttafel, welche nach Theutinger benannt wird und einen Schatz der Wiener Bibliothek ausmacht: Dieselbe setzt hinter Issus, welcher Hafen keine Wichtigkeit besass, die durch zwei Türme in gleicher Weise wie Seleuzia ausgezeichnete Küstenstation Alexandria cat isson XXVIII m.p. nördlich von Rhodos an und verbindet zugleich den Alexanderhafen durch einen Inlandweg über Pagaris (Bagbrâs) mit Antiochia. Genauer in Stationen und Entfernungen erweist sich das officielle Itinerarium Antonini, und am genauesten der Bericht eines Pilgers, der im Jahre 333 von Bordeaux nach Jerusalem wanderte. Darin finden wir vor Pagris die von Alexandria IX m.p. entfernte Papststation Platanus eingeschaltet, welche dem heutigen Bailân entspricht und die Mansio Alexandria selbst erhält den damals üblichen Beinamen Scabiosa „die Schäbige“ als verlumpter ungesunder und zurückgegangener Platz namentlich gegenüber dem blühenden und reichen Emporium Ägyptens. Auch der Pilger Teodosius, welcher um 525 das Hl. Land besuchte, nennt Alexandria Scabiosa und setzt den Küstenplatz LX Abschnitt m.p. sowohl von Egeas (Ayas) wie von Antiochia entfernt an, was den heutigen Abständen genau entspricht. Wir finden denselben herabsetzenden noch lange Zeit in entstellten Formen wie Cambysutoles in Gebrauch. Gelinder sagte man jedoch Alexandreia minor, was zuerst die Unterschrift des Bischofs Esychius beim Konzil von Nicee 325 (Mansi II 694) erweist; daher auch die seit den Kreuzzügen üblichen fränkischen Formen Alexandreta, Alexandriola und die heutigen Benennungen Alessandretta, Alexandrette.
Wenn der späte Autor Valerius in seinem Itinerarium Alexandri von einer Alexandria montuosa spricht, so kommt darin der Gegenplatz des Terrains zum Ausdruck: die ägyptische Alexandrie liegt am weithin flachen Deltagebiet, bei Alexandrette erblickt man vom Meere aus die schroffe Landmarke eines Amanusgipfels, und nahe beginnt der Passaufstieg. Wenn der Kaiserbiograph Herodianus III. 12 bemerkt, Alexandria mit der ehernen Statue des Siegers von Issus habe auf einem Hügel gelegen, so kann da allenfalls ein künstlicher Hügel von geringer Höhe gemeint sein, wenn überhaupt die sagenhafte und sonst von grosser Unkenntnis begleitete Nachricht Beachtung und Vertrauen verdient. Dennoch haben diese beiden Angaben, die Vermuthung auftauchen lassen, dass die Stadt erst später in die sumpfige Küstenebene verlegt worden sei. Betreffs der genauen Lage kann man nur Vermuthungen machen. Es gibt zwei Stellen, die sich dafür eignen würden. Die erste ist 5 Kilometer südlich von Alexandrette auf einem der ersten Contreforts des Amanus, wo der Passus von Bailan anfängt. Man sieht jedoch keine Ruinen, findet aber viele Thonwaarenüberreste, sowie Gräben, welche von Menschenhand herzurühren scheinen. Die zweite Stelle ist am Meeresufer, etwa 12 Kilometer im Südwesten der Stadt. Man sieht dort einen alten Brunnen, einige vorstehende geschnittene Quadern und zahlreiche Mosaikspuren. Emile Michel glaubt in der ersten Iskanderia Issica, in der zweiten das alte Myriandros zu erblicken.
Ausser der Concurrenz von Seleukeia nahe dem Orontes und ausser der zunehmenden Versumpfung haben unstreitig auch die politischen Ereignisse und die Vorstösse der orientalischen Völker den Aufschwung Alexandrette’s gehindert. Unter Kaiser Valerianus – so berichtet der Mönch Matalas in seiner Weltchronik – verheerte der Sasaniden-Šâpor Kilikien und Eschete aus anderen Städten „die kleine Alexandria“ ein. Später drangen die Araber ein; a.D. 15 (= 636) Zwang Abû Obeida Antiocheia zu einem Jahrestribut, und bald darauf wurde Ântakia von Habib Ibn Maslama wiedererobert und seitdem sind auch die politischen Schicksale von Al Iskanderia oder, wie die arabische Nebenform lautet, Al-Iskanderûna (daher bei den byzantinischen Chronisten Scylitzes II 677) oder Skanderûn mit jenen von Ântakia verbunden gewesen; doch erhielten sich im Berggebiet des Armanus noch einige Zeit syrische Christen unabhängig, so namentlich, die Bewohner der Bergveste Džurdžûma östlich von Bajâs, welches sich a.D. 89 (=708) durch Zuzüge aus Al-Iskanderûna und Rôsos verstärkten. Auch sonst kommen die arabischen Schriftquellen auf Iskaderûna häufig zu sprechen. Abu’l-Feda berichtet in seiner Geographie (übers. v. Reinaod u. Goyard II, 2 S.33), zur Zeit des Chalifen El Wâthik habe Ibn Abû Dowâd den Hafen Bâd (d.i. Thor) Skanderûna 12 mil (= 4 Farsang) von Baghrâs ausgebaut d.h. restaurirt; ersetzt den Platz unter 36 ° 10’ N 60° O.
Im ersten Kreuzzug wurde Boёmunt Herr von Antiochia; Pankre zog im Juli 1097 in Alexandrette ein, nachdem er zahlreiche Castelle des Amanus und der östlicheren Flachgebiete bewältigt hatte: „Montes quimedii Alexandriolam guastonemque opidulum dirimunt, conscendit via difficilis ed ad Syros directissima“. Algemach erreichte die Macht der kilikischen Armenier unter ihrem „gekrönten“ Thagavor Leon II. ihren Höhepunkt. Die von Xenophon unter dem Namen „Pforten von Kilikien und Syrien“ und im Stadiasmus als „Pforten von Kilikien“ vermerkte Strandklause, die heutigen Jonas pilars nördlich von Alexandrette bildete die südliche Grenze ihres Reiches gegen die Herrschaft der ägyptischen Marmelukensultane; Hier war eine Zollstätte (Posidonium Togana) der Armenier, Durm genannt d.i. „Thor“, was die fränkischen Berichte mit Portella wiedergeben. Trotz der häufigen feindlichen Verwicklungen bestand doch ein reger Handelsverkehr; in einem Privilegium a.1201 heisst es: solum quid trans ierint per Portellam teneantur ibi persolvere tricturam sicut solitum est ad omnibus christianis“. Im Jahre 1211 zog der Pilger Wilbrand von Oldenburg von Antiochia über’s Gebirge und betrat Alexandrette „civitas morata in litore mares posita, modo destructa iuxta quam sunt prata equis comodissima (es folgt die Sage vom altersschwachen Pucefalus, der sich auf diesen Weidegründen erholt haben soll); von Alexandrette erreichte der Pilger 4 Meilen weiter die Portella „hoc est casale bonum (=merkez kallessi antache merkez-fû dem Kerfos des Xenofon), propese habens portam, aqua ipsum denomenatur; hec solas ita est in strata publica in ripa maris, et est ornatissima albo marmore“. Über ein königliches Kastrum Nigrum erreichte Wilbrand Kanamella, und nach einer langen Tagreise, die am Pyramos gelegene Stadt Mamistra (Missis).
Die Zeit der Kreuzzüge und der Pilgerfahrten ist überaus reich an einschlägigen auf Alexandrette bezüglichen Daten; der Hafen wurde gern angelaufen, ebenso der Portus S.Symeonis oder Portus Sudin, Soldin d.i. der seleukidische Emπoρeiα bei Σελeuκeα, Al-Suweidia der Araber, nahe der Orontes-Mündung; hier soll der Stylite S.Simeon seine asketischen Übungen vollzogen haben. Der an Bergschlössern reiche Armanus hiess syrisch Ukama „der Schwarze“, arabisch Al-Lukam, armenisch Seav Learn Lalearn, griech Melan Tros, daher bei den Franken Montana Nigra, Monte negro; die Armenier nannten ihn auch Surb Learn „Hl. Berg“ nach den vielen Klöstern, die in byzantinischer Zeit dort waren. Wir erwähnen von den Küstenstationen nördlich von der Portella Baias, das antike Baiae; der Küstensaum weiter bis zu der verschollenen Stätte von Issos war für Zuckerrohrplantagen geeignet; Fulcherius gedenkt „Canamelae arunginibus similes quorum messes praedent mel sivestre“. Auch Wilhelm von Türus gebraucht diese Form Canamela, die wir bei Wilbrand fanden, während die Seekarten sich vorwiegend der entstellten Form Caramela bedienen und darnach den issischen Meerbusen Golfo de Caramela, golfus Caramelae benennen. Diese Seekarten, meist venezianischer und genuesischer Herkunft, sind ein werthvolles Produkt des levantinischen Handelsverkehrs und wichtig für die Schiffahrtskunde.
Marino Sanuto a. 1321: A Caramela XV miliaria esse dicuntur usque in Alexandretam versus Sciroccun per meridien navigando; semidieta ante Alexandretam via arta intermonte set mare vocatur passus portelle; ad Alexandretas sunt plus quam X miliaria ad Probonelum versus garbinum per meridiem navigando. A Prebonelo miliaria sunt X ad rasa ganzir navigando intermeridiem et garbinum. A Raganziro miliaria XX computantur ad focem fluminis Soldini navigando per scirocum versus meridiem; portus Soldün vocatur etiam S.Sümeonis haec est astaria Montanae Nigre cuius ad pedem extant duo castra Bagaras et Trapasa (arab. Terpesak).
Cano a.1442: da Caramela ad Alessandretta a 15 milia intra mezzogiorno e libecio; da Alessandretta a Porto Bonel a 10 milia intra mezzogiorno e libecio; da porto Bonel a Rasa Ciangir a 10 milia intra mezzogiorno e libecio; a Rasancir alla Fossa del Soldin a 7 milia intra mezzogiorno e libecio. Dal capo s. andrea soldin a 90 milia per levante.
Im Jahre 1591 hatten die Handelsleute von Aleppo von der Pforte die Erlaubnis erwirkt, dass ihre Handelsfahrzeuge von Tripolis nach Iskanderun ziehen durften, sodass erst damals Iskanderun der Hafen und Stapelplatz von Aleppo wurde.
Aus der türkischen Zeit sei nur noch die betreffene Stelle im Buch der Mekkapilgerstation (Chitâp Menâfic El-Hag a.D.1093=1682, Recueil de voyages des, Paris 1825 II 83-169) angeführt: hinter Demir Kapu und ’Ozeir folgt das baum- und obstreiche Städtchen Paias, weiterhin an der Meeresküste Bogbac Sakal Tutan d.i. „Festhalter des Bartes“, wo ein Hügelzug steil zum Meere abfällt und wo ein Trupp nur einzelweise durch ein Tor vordringen kann – auf der Anhöhe liegt Merkez Kalessi; hierauf folgt Iskanderûn, der Hafen der Stadt Haleb; dann schlägt man den Bergweg über Bailan und Balamut-Chân nach Antakiâ ein. – Die englischen Admiralitätskarten haben für Sakal-Totan die legendenhafte Bezeichnung Jonas pilar eingeführt: aus dem Hügelgestrüpp treten an der engsten Stelle die beiden, fünf Meter voneinander abstehenden Marmorpfeiler hervor, alte Reste eines römischen Triumphbogens, der zum Andenken an den von Kaiser Septimus Severus über seinen Gegner Tescenius Niger i. J. 194 bei „der Enge des issischen Golfes, wo einerseits steile Bergzüge aufragen, anderseits Abhänge schroff zum Meer abstürzen“ (so berichtet Cassius Dio Buch 74, cap.7), erfochtenen Sieg errichtet worden war; ein von der österr. archäologischen Expedition unter Heberdey und Wilhelm 1891 im Gemäuer von Merkez-Kalessi gefundenes Inschriftfragment nennt noch den Kaiser Septimius Severus. In dieser zerklüfteten, von Gestrüpp überwucherten dürften fortgesetzte Nachforschungen noch weitere Funde erzielen.
Im Jahr 1625 fand Pietro della Valle im Hafen von Alexandrette einen venezianischen Unterconsul und einen französischen Viceconsul in Geschäften mit Aleppo thätig. Chevalier Otter traf daselbst im Jahre 1737 einen französischen, einen holländischen und einen englischen Viceconsul. Im Herbst desselben Jahres weilte Pococke der Fieberluft wegen auf einem Schiffe vor dem Hafen Alexandrettes und aus derselben Ursache hatten auch die europäischen Agenten ihr Villeggiaturen nach dem Bailan-Gebirge verlegt. Pococke erwähnt eines von dem ägyptischen Marmeluken-Sultane 1517 erbauten Kastells Iskander-Bei und eines inmitten des Morastes stehenden unzugänglichen Quadern-Thurmes. Nach Colonel Squire’s Bericht war Alexandrette im Jahr 1802 der Raubsitz des Rebellen Baiskučur Ali. Das Meer war seit 100 Jahren um eine Meile zurückgetreten und an den Ruinen eines Steinbaues landeinwärts sah man noch Eisenringe, an welchen einstens die Schiffe mit Tauen befestigt wurden. Wie Kinneir war Iskanderun im Jahre 1813 bloss ein kleiner Fischerort mit etwa 90 türkischen und griechischen Familien. Der Handel lag darnieder, nur Büffelherden trieben sich in der Umgegend.
Ibrahim Pascha hatte in den Jahren 1833-34 durch den Ingenieur Martinelli den schlammigen Sumpf einzudämmen und durch einen Ableitungs-Canal zu entwässern versucht. Unter ägyptischem Einflusse wurde Iskanderun der Haupthafen von Syrien und ist seit den vierziger Jahren im steten, wenn auch langsamen Aufschwung begriffen, wie auch aus dem Berichte des englischen Residenten P.A. Neale vom Jahr 1850 hervorgeht, in welchem gesagt wird, dass der Ort immer mehr aufblühe.
Der Hafen von Alexandrette ist für die Ausfuhr von Cerealien der bevorzugteste Platz von ganz Syrien, wohl infolge seiner Trefflichkeit. Vor der Eröffnung des Suez-Kanals kamen dahin alle Producte des persischen Golfes, von Bagdad, Mossul und anderen Städten, jetzt nehmen allerdings die aus England importierten Artikel ihren Weg über den Suez-Kanal über Basra nach Bagdad und weiter von hier nach Persien. Aber trotz des gegenwärtigen starken Verkehrs via Suez bleibt nichtsdestoweniger der Hafen von Alexandrette einer der wichtigsten Syriens. Es strömen wohl noch immer die Producte des Orontes-Gebietes, eines Theiles Armeniens, Kurdistans und der Euphrat-Länder in Alexandrette zusammen und von da beziehen auch die Bewohner jener Gegenden ihren Bedarf an ausländischen Erzeugnissen.
In Alexandrette bestehen keine selbständigen Bankgeschäfte. Die Firma Giuseppe Levante ist die einzige, die sich mit Bankgeschäften befasst; sie ist die Correspondentin der kaiserlichen Bank von Konstantinopel und verschiedener anderer ausländischer Bankanstalten.
Consulate haben in Alexandrette die nachfolgenden Staaten errichtet: Österreich-Ungarn, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Portugal, Spanien, Schweden und Norwegen, Persien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Die Dampfschiffahrt mit Postdienst versehen nachstehende Companien: Die Messageris Maritimes, der österreichische Lloyd und die Khedivial Mel (englisch); alle drei mit wöchentlichem Dienst. Regelmässige, aber nicht postführende Companien sind die folgenden: Hacidaut Farcout (türkisch) P.Pantanleon (griechisch) Bells Asia Minor (englisch), alle drei wöchentlich. Unregelmässige Fahrten unterhalten die Gesellschaften Deutsche Levante-Linie (deutsch), monatlich, fabre (französisch) und mahsoussé (türkisch), die navigazione generale italiana berührt nicht den Hafen von Alexandrette, hat aber dort ihren Agenten, die Firma G.Levante. Die Gesamtzahl der jährlich angekommenen und abgegangenen Passagiere betrug im Jahr 1899 15.920, von denen 4884 Personen allein durch den österreichischen Lloyd befördert wurden.
Schiffahrts-Bewegung von Alexandrette: Im Jahre 1870 und 71.
Die Hafenbewegung war im Jahr 1899 folgende:
Die Handelsbewegung war im Jahr 1899 von 20.334.978 Kilogramm im Werte von 31.216.967 Franc Einfuhr und 31.236.025 Kilogramm im Werte von 21.486.907 Franc Ausfuhr.
Die Ausfuhr besteht aus: Getreide, Hafer, Darisamen, Sesam, Linsen, Hirse, Veccien, Kichererbsen, Oliven-, Sesam- und Lorbeeröl, bitteren Mandeln, Apricosen, Granatäpfelrinde, Wolle, Baumwolle, Weizen, Gallnüssen, Kreutzbeeren (grana gialla), trockenen Trauben, Feigen, Pistacien, Seidencocons, Seidenwaaren, Knochen Häuten, Opium, Scammonium, einheimischen Manufakturen, Butter, gelbem Wachs, Tabak, Ligoriz-Wurzel, Gummi arabicum, Seife, Vallonea, Eigelb (giallo d’uova), Alaun, Kupfer, Agrumen, gesalzenen Eingeweiden, Esswaaren, Vieh, Matten etc etc. die Einfuhr besteht aus: Seidenwaaren, Manufakturen, Baumwoll-, Tuch- und Wollwaaren, Modeartikeln, Mercerien, Mützen, Leinwand zum Einpacken, leeren Säcken, Droguerien, pharmazeutischen Produkten, Indigo, verschiedenen Farben, Eisenwaaren, Zink, Blei, Zinn, Kupfer, Nägelwaaren, Quincaillerie, Bauholz, Holz für Möbel, Fässern, Ziegeln, Dachziegeln, Zement, Kalk, Marmor, Glaswaaren, Ton- und Erdwaaren, Spiegeln, Krystall, Steingutwaaren, Porzellan, Papier, Waffen, Jagdartikeln, Uhren, verschiedenen Maschinen Möbeln, Leder, gegerbten Fellen, Perlmutter, Kanzleiartikeln, Zündhölzchen, Pappendeckel, Tabak, Zucker, Kaffee, Thee, Mehl, Nahrungsconserven, Selchwaaren, gesalzenen Fischen, Suppenteig, Hülsenfrüchten, Wein, Weingeist, Liqueuren, Bier, Stearinkerzen, Parfümerien, Petroleum etc etc.
Die Ausfuhr ist von 2.079.900 Franc im Jahr 1880 auf 26.409.725 Franc im Jahr 1883 gestiegen, schwankte dann mit abnehmender Ziffer, um im Jahre 1890 24.157.975 Franc und 26.215 Tonnen zu repräsentieren, was für die bezogenen 11 Jahre ein Jahresmittel von 23.652.571 Franc ergibt.
Die Einfuhr betrug im Jahre 1880 31.690.450 Franc und bewegte sich in aufsteigender Richtung um im Jahre 1889 44.112.770 Franc zu betragen. Im Jahre 1890 betrug sie 42.622.070 Franc und 14.330 Tonnen und stellt sich somit für die genannten 11 Jahre ein Jahresmittel von 39.913.720 Franc heraus. Das Gesammt-Jahresmittel der Ein- und Ausfuhr während des bezogenen Zeitraumes beträgt 36.566.191 Franc. Zieht man einen Vergleich mit den Ergebnissen des anderen Hafens des Districtes Souïdieh, so betrifft Alexandrette die bezüglichen Ziffern fast um das Dreifache. In den Jahren 1893 und 1899 betrug die Ausfuhr 23.324.775 beziehungsweise 73.788.475 Franc und 18.709 beziehungsweise 20.960 Tonnen; die Einfuhr 47.076.750 beziehungsweise 45.716.670 Franc und 17.882 beziehungsweise 20.867 Tonnen.
Die Hafenbewegung im Jahre 1894 war folgende: Ein- und ausgefahren sind 544 Schiffe, davon waren 179 Segelschiffe; dieselben vertheilen sich nach den Flagge folgendermassen: 93 englische, 61 französische, 26 italienische, 57 österreichisch-ungarische, 240 türkische, 53 ägyptische und 14 griechische. Bei der Ausfahrt stellte die Türkei 10.738.525 Franc, Ägypten 4.632.225 Fr., Frankreich 2.930.625 Fr., die Vereinigten Staaten 1.755.200 Fr., England 1.720.050 Fr., Deutschland 748.475 Fr., Italien 637.875 Fr., Österreich-Ungarn 584.125 Fr. und Griechenland 41.375 Fr.. Bei der Einfahrt England 22.116.750 Fr., die Türkei 9.442. Fr., Österreich-Ungarn 5.560.475 Fr., Frankreich 4.095.600 Fr., Ägypten 1.755.575 Fr., Belgien 1.141.250 Fr., Italien 714.755 Fr., Russland 624.350 Fr., und Deutschland 20.000 Fr..
Das Kupfererz wird auf Rechnung der ottomanischen Regierung in den Bergwerken von Organa (Diarbekir) gewonnen und nach London verfrachtet. Man versendet 1000 bis 1500 Tonnen jährlich und wenn der Transport, der 30 – 35 Tage erfordert und mittels Kameelen bewerkstelligt werden muss, nicht so umständlich wäre, würde, die Menge eine viel grössere sein, nachdem dort ein bedeutender Stock vorhanden ist, der aber wegen Mangel an Lastthieren nicht verfrachtet werden kann.
Die Ausfuhr der Ligoriz-Wurzel nimmt von Jahr zu Jahr mehr zu und wird der ganze Ertrag nach den Vereinigten Staaten verschifft. Im Jahre 1899 wurden 15.852.720 Kilogramm exportiert und zwar durch italienische Segelschiffe. Ausser den beiden Fabriken (Pressen) von Starford (amerikanisch) und Mac Andrews und Forbes (englisch) hat man drei neue, von Eingeborenen errichtete Fabriken in Betrieb gesetzt.
Gallnuss wird von den Produktionsorten mittels Kameelen in 7 bis 8 Tagen nach Alexandrette gebracht und von hier auf französischen Dampfern nach Marseille und Liverpool verschifft.
Die Ausfuhr an Agrumen nimmt immer mehr zu. Im Jahre 1899 betrug sie 130.000 Kisten, von denen zwei Drittel mittels Dampfern und Segelschiffen nach Odessa gebracht wurden. Die griechischen Handelshäuser sind die stärksten Exporteure derselbe. Auch in Triest ist nach diesem Artikel lebhafte Nachfrage, aber infolge der Nachbarschaft Siziliens und der aus diesem Umstande entstehenden Concurrenz ziehen es die hiesigen Handelsleute vor, die Waaren nach den rumänischen, türkischen und russischen Häfen zu versenden.
Die dortigen Cerealien im Allgemeinen wie Weizen, Gerste, Darisamen und Hafer sind trotz ihrer schönen Farbe und ihrer vollen Körner in Europa nur wenig geschätzt, weil sie infolge des Mangels geeigneter Ackerbau-Werkzeuge über 10 Prozent fremder Beimischung enthalten. Überhaupt sind die Ackerbauverhältnisse nicht lohnend. Die Steuern betragen 28, ja sogar 36 bis 38 Prozent und viele Landbebauer sind gezwungen, ihre infolge dieser Lasten stark verschuldeten Gründe endlich den reichen Besitzern um wenig Geld zu verkaufen und dann selbst betteln zu gehen.
In der Zuckereinfuhr nach dem Hafen Alexandrette nahm im Jahr 1899 Österreich-Ungarn unter den übrigen Staaten den ersten Platz ein. Die Gesammt-Einfuhr betrug 23.035 Quintali, während sie im Jahr 1898nur 15.073 Qunli. auswies; die Zunahme beträgt also 7.980 Qunli. – in weiterer Folge kommt Russland mit 4.073 Qunli., Ägypten mit 3.800 Qunli., Belgien mit 1.580 Qunli. und Frankreich mit 890 Qunli. an die Reihe.
Soviel mal das Projekt einer Bahn nach den Euphratthale aufgetaucht ist, so oft wurde hievon Abstand genommen und es ist seit so vielen Jahren davon die Rede, ohne dass man zu einem Entschlusse kommen kann, dass Viele fast alle Hoffnung auf die Verwirklichung dieses Projektes verloren haben. Aber auch die Meinungen betreffs der zu verfolgenden Tracen sind nicht einig. Einige empfehlen die Durchbohrung des Karadagh, andere die Verfolgung des unteren Thales von Antiochien. Dem ersten Projekt steht aber der kostspielige und erschwerende Bau eines grossen Tunnels durch bröckeligen Tonschiefer entgegen. Ein anderes Projekt empfiehlt die Führung der Bahn nach Souïdieh oder Taradulus. Competente Personen geben der Linie von Alexandrette nach Aleppo und von hier über Aintah Biretschik Harran Ras-L-Ayn Nisibin, Peyschapur und Mossul nach Bagdad von jeder anderen kürzeren, die syrische Wüste direkt durchschneidenden Trace den Vorzug, indem sie auf die reichen Vortheile hinweisen, welche mit der Erschliessung der fruchtbaren Täler des Orontes und des Euphrat und Tigris durch eine so grossartige Schienenstrasse für den Handel und Verkehr erwachsen würden.
Seit einigen Monaten nehmen mehrere deutsche Ingenieure in der Umgebung von Alexandrette Studien zu dem Zwecke vor, um diesen Hafen mit dem persischen Golf durch eine Bahn zu verbinden. Im Zusammenhang mit diesem Projekte sondieren die Ingenieure auch den Meeresgrund in der Rheede, um eventuell einen Hafen dort zu bauen.
Nun wollen wir aber das jetzige Alexandrette näher betrachten. An den hölzernen Landungsplatz mit abgefressenen Pfählen schliesst sich, nur durch eine Gittertür getrennt, hier das Zollamt an und dann folgen gleich die Basare. Überall sieht man türkische Häuser mit vortretenden, auf Holzstützen ruhenden Theilen. In den Gassen und Basars der Stadt reiht sich Laden an Laden, ausgestattet mit den gewöhnlichsten Bedürfnissen der armen Bevölkerung aus dem Inneren des Landes und bilden Kaffee, Zucker, Reis, Salz, Stricke, Halfter, Nägel, Kupferkessel und einige Kleiderstoffe den Hauptbestand derselben. Alles, was man in den Basars erblickt, ist eingeführt und stammt namentlich aus Constantinopel oder Marseille – in Alexandrette wird nichts erzeugt.
Auf Antrieb des jetzigen Gouverneurs von Aleppo Rauf Pascha, der sich die Pflege der Interessen von Alexandrette sehr angelegen sein lässt, beabsichtigt man, ein Molo zu erbauen. Eine kleine Localbahn führt von den rückwärtigen Hügeln Steine und Anschüttungs-Material dazu. Sie dient zugleich dem Zwecke, um die allmähliche Anschüttung der Sümpfe durchzuführen. Bei der Anlage des Molo rechnet man auf die Versandung, welche den Bau verstärken soll, denn in Alexandrette braucht man nur Pflöcke am Ufer einzurammen, um neuen Boden zu gewinnen.
Durch die Mitte der Ortschaft zieht sich eine breite, schön angelegte Strasse, in dem westlichen Theil allerdings nur mit Sand belegt, die aber jetzt gut geschottert werden soll. Am Anfang derselben liegt zur Linken d.h. an der Südseite, das mit vorspringenden modernen Terrassen an beiden Seiten versehene Haus des Herrn L. Levante. Derselbe stammt aus Mailand und ist spanischer Consul. Der hübsche, elegante Bau verräth unwillkürlich den italienischen Geschmack. Dann kommt zur Rechten die Agenzie des österreichischen Lloyd und zur Linken ein breiter Platz, an den die katholische Kirche anstösst. Rechts von diesem mit einigen Bäumen bepflanzten Platze befindet sich das Haus der Nonnen, welche hier eine Schule errichtet haben, in der 300 Mädchen unterrichtet werden. Rechts vom Eingange ist das Nonnen-Kloster, in welchem gegenwärtig 6 Nonnen thätig sind, steht eine kleine, aber recht elegante Kapelle.
Das Kloster der Franziskaner ist der noch in Bau begriffenen grossen, mit zwei Seitenbögen versehenen Kirche angebaut. Die alte Kirche, welche einen grossen Theil des Klostergebäudes einnimmt, besitzt drei Altäre und hat auch eine Sakristei, wo sich ebenfalls eine Art Altar befindet. In dem Kloster leben gegenwärtig zwei Mönche, von denen einer aus Toscana stammt und bereits das 16. Jahr in Alexandrette weilt.
Gleich eine Gasse weiter, zu welcher von dem Kirchenplatz ein Portal führt, steht die Agentur der Messageries Maritimes. Es ist dies ein hübsches, ziegelbedachtes, eigens für die Zwecke der Agenzie erbautes Haus, welches durch einen Garten in dem Wohnhaus des Agenten M. Emile Michel getrennt ist, der in seinem Salon manche hübsche Antiquität, welche in der Nähe von Antiochien gefunden wurde, aufbewahrt. Man sieht Thonreliefs und Köpfe, Lakrymatorien, Lampen und kleine Büsten, namentlich aber ein sehr reichhaltiges Monetar in einem eleganten Schrein.
Am rückwärtigen Theile der Ortschaft steht die griechische Kirche mit einer grossen, von weitem erkennbaren Kuppel. Auch ein einfaches Minaret ragt aus den Häusern der Ortschaft empor.
Im Jahre 1766, zur Zeit als Carsten Niebuhr die Ortschaft besucht hatte, standen hier bloss etwa 60 bis 70 Häuser. Die Consuln und die anderen Europäer sowie reichere Leute residirten gewöhnlich, der schlechten Luft wegen, in Bailan; Alexandrette hatte nur etwa dreissig Hütten und einige, den Consularagenten gehörige Häuser. Die zahlreichen, bei den verschiedenen Agenturen und Schiffsmäklereien im Dienst stehenden Arabern erreichte aber die Bevölkerung von Alexandrette 1500 Köpfe. Im Jahr 1888 zählte Alexandrette 5.850 Einwohner, von denen 2.255 Muselmänner, 42 Juden und 3.553 Christen waren; von den Christen waren über 2.000 Griechen und 200 andere Europäer. Die Griechen beschäftigten sich meist mit dem Kleinhandel, während die Westeuropäer den grossen Ein- und Ausfuhrhandel betrieben, was noch heutzutage geschieht. Gegenwärtig kann die Einwohnerzahl Alexandrettes, Eingeborene und Fremde mitgerechnet, auf ca. 15.000 bis 20.000 geschätzt werden. Davon gehören dem Glaubensbekenntnisse nach etwa 5.000 der griechischen, ca. 3.000 der katholisch-lateinischen Kirche an. 100 – 150 Juden und der Rest sind Muselmänner. Von diesen sind aber nur etwa 3.000 dem Bekenntnisse nach wahre Muselmänner, indem die Landbewohner, Fellahs, etwa 5.000 an der Zahl dem alten Ritus der Anzarieh folgen und dadurch eine fast getrennte Secte bilden. Die Anzarieh machen bis zum schwarzen Meer vielleicht ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung aus. Einzelne Anzarieh sind wohl in Alexandrette gänzlich mit den Muselmännern verschmolzen und folgen deren Ritus, aber trotzdem werden ihnen in den Moscheen Schwierigkeiten bereitet, sodass zwischen diesen convertirten Anzariehs und den echten Muselmännern immer bittere Streitigkeiten entstehen. Unter den Fremden-Colonien, die in Alexandrette etablirt sind, ist die griechische mit etwa 2.000 Angehörigen die zahlreichste; dieser folgt dann die italienische mit ca. 70 Personen, die französische mit etwa 30 Bürgern und den Rest bilden Engländer, Amerikaner, Österreicher und Deutsche in der Anzahl von zusammen 15-20 Personen.
Alle Bauten der neuen Stadt sind aus Stein ausgeführt, nur einige wenige am nördlichen und südlichen Ende sind noch aus Holz. Die Europäer wohnen meistens in recht stattlichen Steinhäusern, die Anzariehs, die zumeist Bauern sind, dagegen in ärmlichen Schilfhütten, welche zuweilen auf vier Pfählen noch in der Luft schweben.
Das Leben in Alexandrette ist wohl ziemlich eintönig und still. Die sumpfigen Ebenen bieten Gelegenheit, sich dem Jagdvergnügen auf Wasser- und Sumpfvögel hinzugeben und auf den Höhen kann man auch Steinhühner und Francolinen erbeuten.
Archäologische Funde wurden bis jetzt nicht gemacht, weil man bisher keine systematischen Ausgrabungen in der Umgebung vornahm. Eine diesbezügliche Mühe würde jedenfalls einen Erfolg haben trotz des Umstandes, dass in dieser Gegend sichtbare antike Reste nur in geringer Anzahl vorhanden sind.
Auf einer kleinen Erhöhung in der Mitte des Sumpfes sieht man noch Beton-Blöcke, welche den Unterbau des ehemals hier gestandenen Thurmes, der von Pococke erwähnt wird, entstammen sollen. Sonst findet man in Alexandrette nur selten Spuren von Bauten, deren Materialien auf die spätere byzantinische Periode schliessen lassen. Bei der Anlage einiger Wasserabfluss-Gräben ist man neuerlich auf scheinbar ältere Mauerwerke gestossen.
Einen Kilometer südlich von Alexandrette befindet sich eine Art Festung, die unter dem Namen Camp de Croisés bekannt ist. Dieser Bau scheint dazu benützt worden zu sein, um als sicheres Waaren-Depot gegen die Raublust der Diebe und Briganten, welche ehemals das Land unsicher machten, zu dienen, und hat das Aussehen, aus dem 11. oder 12. Jahrhundert zu stammen.
Der hübscheste Ausflug, den man von Alexandrette unternehmen kann, ist auf der Fahrstrasse, welche 140 Kilometer lang Alexandrette und Aleppo verbindet, zu dem benachbarten, 686 Meter hohen Bailan-Passe, über den Karadagh, wo in herrlicher Kühle am Fusse des Gebirges die gleichnamige Ortschaft liegt, welche von den europäischen Bewohnern Alexandrettes mit Vorliebe als Sommeraufenthalt aufgesucht wird.
Der gute Fahrweg zieht sich anfangs durch sumpfiges Land. Schilf, Tipha und Weiden wachsen in der Nähe der Strasse, Enten und Gänse schwimmen in den Pfützen und Canälen, wo sich unzählige Wasserschildkröten herumtreiben.
Eine Schmalspur-Eisenbahn führt zur Quelle d.h. zu dem hinter derselben gelegenen Hügel, von wo man – wie erwähnt – das Bau- und Anschüttungsmaterial transportirt. Aus Rohrgeflecht hergestellte Häuschen sieht man überall verstreut. Dort, wo der Weg in das Gebirge führt und sich der Quelle, die man links lässt, nähert, trifft man eine grosse Rohrhütte. Das Wasser der Quelle, welche die Stadt versorgt, wird mittels eiserner Röhren dorthin geleitet. Man durchschreitet schöne Felder mit üppigem Boden und gelangt zu einem Garten, welcher dem Herrn L. Levante gehört. Beim Eingang des Gartens, in welchem schöne Granatäpfel- und Feigenbäume gedeihen, steht eine Marmortafel, auf der Giardino Levante zu lesen ist.
Der Weg fängt von dieser Stelle an zu steigen und man kommt zu einem Buschwaldhügel, der mit kleinen immergrünen Eichen, Myrten, Zistus und Zytisien bewachsen ist. Nachdem man einen Torrent überschritten hat, wo Keuschbaum, Oleander und Aleppo-Kiefern wachsen, passirt man ein Thal, worauf der Weg eine Windung macht. Der Boden, über den wir nun gehen, besteht aus Lehm mit kalkhältigem Gestein. Im weiteren Fortschreiten gelangt man zu einer Haltestelle, wo neben zwei grossen Kiefern eine Art Kaffeehaus errichtet ist. Von hier ist die Aussicht auf die Bucht von Iskanderun und auf die üppigen Felder am schönsten, südlich gegen das Meer zu ist aber noch alles morastig. Die Umgebung des Kaffeehauses ist mit einzelnen Johannisbrotbäumen und Arbutus Anbrachne bewachsen. Hierauf steigt man hinab zu der Sohle eines kleinen Thals, dessen Boden in Äcker umgewandelt wurde. Von hier geht es durch eine mit Terebinthen, Sumach und Judasbäumen bewachsene Landschaft wieder bergauf. Der Boden der nun erreichten Anhöhe besteht aus Eruptiv-Gestein. Zur Linken fliessen zwei Quellen, der Einschnitt der Fahrstrasse führt durch glänzendes, glimmerartiges Gestein. Von dieser Stelle eröffnet sich eine sehr hübsche Aussicht auf die vor uns liegende eigenthümliche und äusserst interessante Ortschaft von Bailan, türkisch Merkez, arabisch Mercez, genannt, welche der vom Pilger aus Bordeaux verzeichneten Station Platanus entspricht. Sie liegt zweieinhalb Stunden von Alexandrette entfernt und wird von Türken, Griechen, Armeniern und Christen bewohnt, welche zusammen eine Bevölkerung von ungefähr 2000 Köpfen ausmachen. Die Kaufleute aus Alexandrette fliehen dorthin, in der heissen ungesunden Jahreszeit. Granatäpfelbäume, Feigen- und Nussbäume grünen an jeder Stelle der Umgebung der Ortschaft und dazwischen sprudeln Quellen, deren Wasser die hie und da erbauten Mühlen treibt. Es ist dies ein Bild voll Frische, das man in der Nähe der von sengender Sonne durchglühten Ebene gar nicht wähnen würde.
Ein Wort des Dankes allen denen, die zu meiner kleinen Arbeit beitrugen, namentlich Herrn Professor Johann Tomaschek betreffs der geschichtlichen Daten, an den italienischen Viceconsul L. Levante betreffs Handelsverhältnisse und E. Michel für anderweitige Erkundigungen, sowie auch an Maler Karl Liebscher, der meine Zeichnungen mit Beihilfe von Detailphotographien von Dn. Antonio Vives auf Holz übertrug. Der Holzschnitt des Panorama wurde von Johann Šimane, jene der Textholzschnitte von J. Jafs, beide in Prag, die Karten in Wien von Ed. Hölzel, der Text und der Gesamtdruck in Prag von Heinr. Mercy Sohn ausgeführt.
Anmerkung: die Abbildungen im Rollentext stellen Karawanenthiere am Strande von Alexandrette, die Basars von Alexandrette, die Hauptstrasse in Alexandrette und die katholische Kirche in Alexandrette dar.
Zante, il fior di Levante – eine kleine Reise auf die Ionische Insel Zakynthos, die Ludwig Salvator 1904 einzigartig monografierte.
Das Ludwig-Salvator-Buchdigitalisierungsprojekt in Kooperation mit der Medienagentur Reithofer & Partner.
Im Frühjahr 2015 fand in Palma de Mallorca – Casal Solleric eine umfassende Ausstellung über Leben und Werk des Erzherzogs statt.
Herbert und der Archeduque – die erste deutschsprachige Filmdokumentation über EH Ludwig Salvator (1983).