ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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Märchen aus Mallorca

Druck und Verlag:     Heinrich Mercy Sohn , Prag
Erschienen:                   1896

Oktav, XXIV, 271 Seiten

Eine Auswahl von 54 mallorquinischen Gedichten (Rondayes), die im Auftrag Ludwig Salvators von Don Antonio Peña, Sohn des berühmten mallorquinischen Schriftstellers Don Pedro de Alcantara Peña, in allen Ortschaften Mallorcas gesammelt und wörtlich – wie sie aus dem Volksmund kamen – nachgeschrieben wurden, „bevor (Zitat L.S.) der alles nivellirende Wind moderner Kultur das alles weggefegt haben wird.“


AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS MIT ORIGINALZITATEN AUS LUDWIG SALVATORS WERK:

Das Werk ist eine Blumenlese von 54 mallorquinischen Märchen, welche der erlauchte Herausgeber durch Don Antonio Pena, dem Sohne des hervorragenden mallorquinischen Schriftstellers Don Pedro de Alcantara Pena, auf Mallorca sammeln und wörtlich, wie sie aus dem Volksmund kamen, nachschreiben liess, um ihnen ihre kindliche Naivität zu lassen. Es erschienen zwei Ausgaben, die eine im mallorquinischen Urtext, die andre in deutscher Übersetzung. Der ganze Duft wahrer Volkstümlichkeit und Frische umweht diese Märchen und Sagen aus dem Leben und Treiben des Volkes; schon allein durch die darin hervortretende Denk- und Anschauungsweise bieten sie das höchste ethnographische Interesse.

Aus der sehr wertvollen Einleitung geht hervor, dass man drei verschiedene Gruppen aus den Rondayes Mallorcas bilden kann: Die eigentlichen Märchen (Rondayes), phantastisch, häufig lang und kompliziert; die Erzählungen oder Cuentos, zumeist kürzer und teilweise auf Wahrheit beruhend und die Fets oder wahren Geschichten, welche manchmal, wenn sie kurz, mit dem einfachen Namen von Cuatre Mods oder vier Worte bezeichnet werden.

Die Kultur und die Traditionen Mallorcas datieren erst aus der Zeit der christlichen Eroberung. Bis auf einige arabische Worte in der Sprache und einzelne arabische Sitten ist alles aus der alten Maurenzeit verschwunden. Die arabischen Märchen wanderten mit ihren Erzählern nach Afrika und haben lediglich einem einsamen Berg oder einer Ortschaft ihren Namen zurückgelassen, während die vielen Beziehungen mit Catalonien und Roussillon spanischen und französischen Einfluss zur Geltung brachten und später häufig italienische Märchen mit anderen Sitten ebenfalls herübergekommen sind. In diesem Lande voll Glauben herrscht wenig Aberglauben, vielleicht am wenigsten von allen Gegenden des Mittelmeeres, mithin entfallen fast gänzlich die Geschichten von Geistern und Hexen-Erdichtungen.

Die meisten Märchen haben phantastische Königsgeschichten zum Gegenstande; manche sprechen von Riesen, andere von Dimonis boyets und von Donetas d‘ aygo, einer Art antiker Najaden. Die Geschichte und Entdeckung vergrabener Schätze, mit Zauberei umwoben, bildet den Gegenstand mancher Sagen, viele dagegen sind Maurenerinnerungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Letztere sind zumeist wahre Begebenheiten, deren Andenken sich im Volke forterbte. Es war eine harte Zeit, jene Zeit der maurischen Streifzüge und Überfälle nach der Niederlage der kaiserlichen Flotte in den Gewässern von Djerbe. Wachttürme wurden der ganzen Küste entlang gebaut und die einzelnen Turmwächter gaben mit Signalen von Rauch bei Tag und Feuer bei Nacht einer dem andern das Alarmzeichen. Jede einzelne Besitzung hatte ihren eignen Turm und manche bewahren noch ihre Verteidigungsmittel: runde Steinkugeln, die man durch die Wurflücken herabwarf und kleine Geschütze, sowie starke feste Thüren für den möglichst engen und niederen Thüreingang.

Die Besitzhäuser wurden thunlichst nahe aneinander gebaut am Saume der gegenseitigen Grenzen, um sich leichter beizustehen und zu verteidigen. Die Kirchen verwandelten sich in Festungen mit Brustwehr und Schiessscharten, sie dienten als Zufluchtsstätten für Weiber und Kinder. Die Ortschaften lagen alle im Inland und die Häuser wurden möglichst vom Meere aus unsehbar hinter Felsen und in der Tiefe der Thäler erbaut. Noch lebt die Erinnerung an die Schreckenszeit fort und in Sollers Hafen wird jährlich unter lebhaftem Anteil der Bevölkerung das Andenken an die heldenmütige Verteidigung und Vertreibung der Mauren durch die dortigen Bewohner gefeiert.

Es ist insbesondere in den langen Winterabenden am Kaminfeuer in den einsam stehenden Besitzungen am Lande, namentlich des Gebirges, dass man die Rondayes anhören kann. Die Feldknechte kehren an einem kalten Wintertage von der Arbeit zurück; zuerst werden die Pfluggespanne gepflegt und gefüttert und alle erscheinen dann in der grossen langen Küche: – es gilt, Saubohnen für den nächsten Tag einzuschneiden. Aber während man für den Magen sorgt, soll auch die Seele bedacht werden, deshalb beten die Pächter oder der erste Feldknecht den Rosenkranz. Sie gehen gemessenen Schrittes durch die Küche und beten vor. Inzwischen bemühen sich die Knechte, mit dem Schneiden der Saubohnen gleichzeitig fertig zu werden, um zur rechten Zeit bereit zu sein. Dann wird die Escudella, ein Gericht von Saubohnen, die kurze Mahlzeit der Landbewohner, von der Hausfrau aufgetragen, und nach dem Essen gehen alle um den grossen gemeinsamen Feuerherd, sich zu wärmen.

Schaffelle sind auf die auf beiden Seiten gelegenen Mauerbänke ausgebreitet und in der Mitte lodert ein dicker Stamm, am Ende halb verkohlt, der jeden Tag weiter geschoben wird, um das Feuer zu erhalten. Die Schäferhunde legen sich dem Feuer so nahe, dass fast ihr rauhes, ruppiges Haar zu brennen beginnt. Draussen tobt grimmig der Nordost und durch die Spalten der Fensterpfosten sickert dann und wann ein kalter Sprühregen.

Das kalte Schlafzimmer lockt die Leute nicht, die Flamme brennt munter; stachelige Cytisensträucher werden hineingeworfen, die besonders hell aufleuchten: das ist die Zeit, wo die Märchen am meisten zur Geltung kommen. Kein Laut ringsum, ausser dem Heulen des Windes und der alte Hirt oder ein ergrauter Feldknecht erzählt die Rondayes von vergangenen Zeiten, welchen die jungen Leute mit offenem Munde gespannt zuhören. Und auch die Hausfrau, die mit dem grossen Holzlöffel im Kessel über dem Feuer rührt, hält inne, durch den Zauber angezogen. Und so geht es lange, bis das Feuer allmählich erlischt und zur Ruhe mahnt.

Die festlichen Tage des Schweineschlachtens, die alt und jung zu fröhlichen Festen vereinen und an denen man lange aufbleibt, um das Zubereiten der verschiedenen Selchwaren zu überwachen, geben auch viel Anlass zum Erzählen von Märchen, in welchem ein Jeder wetteifert. Aber auch der einsame Kohlenbrenner in der Ruhe der immergrünen Eichenwälder, hat seine eignen Märchen und ebenso die junge Frau, die im Schatten der Orangenwälder, im betäubenden Duft ihrer Blüten, ihre Kinder damit unterhält.
Und sonderbar, viele dieser Märchen kommen uns durchaus bekannt vor, denn oftmals behandeln sie dieselben Stoffe wie unsere lieben alten Märchen, nur dass sie gewissermassen ein fremdartiges Gewand angezogen haben und eine andre Sprache reden. Wer Grimms Märchen kennt, wird gar sehr überrascht sein, in der Feuerbläserin sowie in dem Lügensack zahlreiche Einzelheiten aus Aschenbrödel zu finden. Das Messmerchen erinnert an die Einleitung des deutschen Märchens von jenem, „der ausging, das Fürchten zu lernen“, und noch verschiedene Züge aus demselben Märchen zeigen sich in dem Gespenst von Concas, von dem auf Mallorca erzählt wird. Mit dem „Tischlein deck dich“ und „Knüppel aus dem Sack“ hat gar Verschiedenes gemeinsam das Märchen vom „Falistroncos“. In manchen ist der Einfluss arabischer Märchenlitteratur nicht zu verkennen, so in den „Zwölf Dieben“, welche verschiedene Züge aus den „Vierzig Räubern“ der „Tausend und eine Nacht“ aufweisen. In dem Märchen „Das Mäuschen“ findet sich sogar ein sehr bekanntes Kindersprüchlein, das unzähligen deutschen Kindern geläufig sein dürfte, und die „Wasserfrau“ erinnert an die „Undine“ oder „Melusine“. Der hohe Herausgeber hat wohl Recht, wenn er sagt, dass diese neu aufgezeichneten Märchen den modernen Folkloristen ein grosses Feld interessanter Forschung öffnen. Doch auch dem gewöhnlichen Leser bieten sie viel des Interessanten und Gedanken anregenden, indem sie ihm Einblick gewähren in das Phantasieleben eines Volkes, das sich noch seine Ursprünglichkeit bewahrt hat.

Aus der Märchensammlung: Na bufa fochs. Die Feuerbläserin. (Manacor.)

Es gab einen Mann, der Witwer war und eine sehr schöne Tochter hatte, der heiratete von neuem. Die Stiefmutter konnte das Mädchen nicht ausstehen und quälte es sehr, bis sie es eines Tages aus ihrem Haus fortjagte. Das Mädchen weinte und weinte immerfort, dachte sich als Dienstmädchen zu verdingen und als es zu diesem Zwecke ein Haus aufsuchen wollte, erschien ihm eine sehr schöne Frau und frug, warum es so viel weine; es erzählte ihr, dass die Stiefmutter es weggeschickt habe und dass es sich jetzt verdingen wolle. Jene Dame tröstete es und gab ihm zwei Flaschen, indem sie sagte:

– Wenn du dich mit dem Wasser der einen Flasche wäschest, wirst du sehr garstig werden, aber wenn du es aus der andren nimmst, wirst du wieder sehr schön werden.
Jene Dame gab ihr auch drei Mandeln, damit es sie öffnen könne, wenn es einen Wunsch habe.

Sie wusch sich mit dem Wasser der ersten Flasche, ging fort in ein Haus und sagte:
– Guten Tag, könnt ihr nicht ein Dienstmädchen brauchen?
– Nein, wir brauche keines, antwortete die Dame.
Die Köchin, welche dem Mädchen aufgemacht hatte, sagte zur Frau:
– Dame, ich glaube, sie sollten sie nehmen, sie wird wenigstens zum Feueranblasen zu gebrauchen sein.
Sie blieb im Hause und alle hiessen sie die Feuerbläserin.
Eines Tages sagte sie zu ihr:
– Feuerbläserin, decke doch den Tisch.
Und sie deckte auf und vergass, das Salznäpfchen darauf zu setzen.
– Feuerbläserin, das Salznäpfchen, schrie der Herr, der ein Sohn der Dame war. Die Feuerbläserin brachte ihm gleich das Salznäpfchen.
Am folgenden Tage deckte sie wieder auf und vergass, eine Gabel zu legen.
– Feuerbläserin, Salznäpfchen und Gabel fehlen auf dem Tische, schrie wieder der Herr und die Feuerbläserin brachte ihm die Gabel.
Der Herr konnte das Mädchen nicht leiden und wollte es nicht dulden.
Inzwischen ereignete es sich, dass man einen Ball in jenem Dorfe gab, auf den der Herr ging.
Die Feuerbläserin ging zur Dame und bat sie, dass sie ihr erlaube, ebenfalls hinzugehen und die Dame sagte ihr:
– Nein, mein Sohn soll hingehen und wenn er dich sehen würde, möchte er sich ärgern.
– Lassen sie mich gehen, Dämchen, ich versichere, dass er mich nicht erkennen wird.
Sie bat so viel, bis schliesslich die Dame es zugab.
Sie ging nun weg, wusch sich mit dem Wasser aus jener Flasche, das schön machte, zerschnitt eine der Mandeln, die jene Dame ihr gegeben hatte, darin war ein rosenfarbiges Kleid, das zog sie an und ging auf den Ball.
Der Herr, der schon anwesend war, kam gleich, wie er sie sah, auf sie zu, sagte ihr, dass er mit ihr tanzen wolle und schenkte ihr ein Armband. Als der Ball zu Ende war, wollte der Herr um jeden Preis sie heimbegleiten und sie wollte dies auf keinen Fall, endlich sagte sie ihm, dass, wenn er sie nicht begleite, so werde er sie am folgenden Tage auf einem andren Balle sehen und sie versicherte ihm, dass sie dahin kommen werde. So verabredeten sie es und sie eilte schnell davon, wusch sich wieder mit dem Wasser, welches hässlich werden liess und legte sich zu Bette. Als der Herr nach Hause kam, schlief sie schon und er konnte nichts bemerken.
Am folgenden Tag ging der Sohn zur Mutter.
– Jesus, meine Mutter! Was für ein schönes Mädchen habe ich auf dem Balle gesehen, ich bin in dasselbe verliebt und ich will es heiraten.
– Aber wer ist sie?
– Ich weiss es nicht, sie war mir unbekannt, aber sie hat mir versprochen, dass sie heute Abend wieder auf den Ball kommen wird und dass wir uns sehen würden.

Als es Abend war, kam die Feuerbläserin wieder zur Dame.
– Liebe Dame, er hat mich nicht erkannt, lasst mich auch heute hingehen.
– Nein, wenn er dich erkennen möchte, würde er sich ärgern, dass ich dich hingehen liess.
– Dämchen, er wird mich nicht kennen, lasset mich hingehen.
So lange bat sie, bis es ihr erlaubt wurde, wieder hinzugehen.
Sie ging weg, wusch sich mit dem Wasser aus der Flasche, das schön machte, zerschnitt eine andre Mandel und fand darin ein ganz rotes Kleid.
Sie zog es an und ging zum Balle.
Der Herr, als er sie sah, setzte sich gleich an ihre Seite, sagte ihr abermals, dass er mit ihr tanzen wolle und schenkte ihr Ohrgehänge.
Als es Zeit war, heimzugehen, wollte er sie begleiten, sie erlaubte es ihm nicht und sagte ihm, dass, wenn er sie nach Hause begleite, würde sie nicht mehr kommen, er solle sie allein gehen lassen und sie würde am folgenden Tage, an dem der letzte Ball war, wiederkommen. Er stimmte zu, nur um sie auf dem kommenden Ball wieder sehen zu können.
Als sie wieder zu Hause war, wusch sie sich mit dem andern Wasser und legt sich zu Bette, ohne dass jemand etwas bemerkte.
Am folgenden Tage ging sie zur Dame und sagte ihr:
– Dame, er hat mich nicht erkannt, ich bitte, lasst mich heute Nacht wieder dahin.
– Nein, denn er wird dich diesmal erkennen und wenn er erfährt, dass ich dich hingehen liess, wird er sich ärgern.
– Dämchen, lasset mich noch den letzten Abend hingehen, er wird mich nicht erkennen.
Sie bat so lange, bis sie sie gehen liess.
Am Abend wusch sie sich wieder mit dem Wasser, welches schön machte, zerschnitt die andre Mandel und darin war ein Kleid, ganz himmelfarbig, mit Gold gestickt, sie zog es an und ging zum Ball.

Dort kam der Herr, sowie er sie sah, zu ihr, setzte sich an ihre Seite, tanzte den ganzen Abend mit ihr und schenkte ihr ein Brustnädelchen. Weil es der letzte Ball war, wünscht er sehr, sie nach Hause zu begleiten, um zu erfahren, woher sie sei, aber sie wollte es um keinen Preis und ging fort, ohne dass er es bemerkte.
Sie ging nach Hause, wusch sich mit dem andern Wasser, welches garstig machte und legte sich zu Bett, ohne jemandem etwas davon zu sagen.
Der Herr, als er sah, dass sie ihm entlaufen war, ging sehr traurig nach Hause, erzählte der Mutter alles, was ihm zugestossen war, und sagte ihr, dass er gehen wolle, um jenes Mädchen zu suchen.

Am folgenden Tage reiste er ab, um sie zu suchen und trug der Mutter auf, sie solle schauen, ob sie auch etwas von ihr erfahren möchte.
Einige Tage nach seiner Abreise musste man ihm Brot schicken und die Feuerbläserin sagte zur Dame:
– Dämchen, wollt ihr, dass ich das Brot knete?
– Nein, wenn mein Sohn es erfährt, möchte er nicht davon essen.
– Er wird es nicht erfahren, Dämchen, lasset mich Brot kneten.
Sie bat so lange, bis die Dame endlich zustimmte.
Sie begann zu kneten und in jeden Laib Brot steckte sie ein Briefchen, welches hiess:
Erbe des Hauses,
wohin gehst du und woher kommst du?
Das, was du suchest
In deinem eigenen Hause hast du es.
Als der Herr das erste Brot brach, fand er das Briefchen, er las es und sehr befriedigt sagte er zu den Dienern, die ihn begleiteten:
– Gehen wir, weil meine Mutter das Mädchen schon gefunden hat, meine Mutter hat es gefunden; und voll Freude reiste er rasch ab.
Als er ankam fragte ihn seine Mutter:
– Hast du sie schon gefunden, dass du sobald zurückkehrst?
– Was wollen sie sagen, haben sie sie nicht gefunden, erwiderte er.
– Ich nicht.
– Sie haben es mir doch sagen lassen! Und er erzählte ihr, was er in dem Brot gefunden hatte.
Um nicht zu verraten, dass die Feuerbläserin das Brot geknetet habe, sagte sie, dass es sehr sonderbar wäre und dass sie nicht wüsste, wie es war.

Der Sohn ging wieder fort, um das Mädchen zu suchen und beauftragte seine Mutter, sie solle es ihm mitteilen, wenn sie etwas erfahre.
Als man ihm wieder Brot schicken musste, sagte die Feuerbläserin wieder:
– Dämchen, lasset mich das Brot kneten.
– Nein, dass du mir wieder einen Streich machst, wie das letzte Mal, das will ich nicht.
– Dämchen, lasset mich das Brot kneten, er soll es nicht erfahren, dass ich geknetet habe.
So lange bat sie, bis sie sie kneten liess. Sie bereitete das Brot und steckte in jeden Laib wieder ein Briefchen, welches dasselbe sagte:
Erbe des Hauses,
wohin gehst du und woher kommst du?
Das, was du suchest
In deinem eigenen Hause hast du es.
Als der Herr wieder das Briefchen las, sagte er:
– Dieses Mal wird es wahr sein; meine Mutter muss sie schon gefunden haben.
Und ganz befriedigt kehrte er nach Hause zurück.
Als er ankam, ging die Mutter auf ihn zu.
– Was bringst du dieses Mal? Hast du sie schon gefunden?
– Nein, ich habe sie nicht gefunden.
Und er sagte ihr, wie er wieder das Briefchen gefunden habe.
Von dem Tage an fing er an zu kränkeln, und vermochte sich nicht wieder auf den Weg zu begeben, um das Mädchen zu suchen. Er siechte dahin und verlor täglich mehr die Kräfte.
Eines Tages musste er sich zu Bette legen, man sollte ihm Süppchen geben und die Feuerbläserin sagte zur Dame:
– Dämchen, soll ich es ihm bringen?
– Nein, damit er imstande wäre, dir die Suppenschale an den Kopf zu werfen, ich will es nicht.
– Erlaubt, dass ich es ihm bringe, ihr werdet sehen, dass er sie essen wird.
So lange bat sie, bis schliesslich die Dame sagte:
– Gehe, bringe es ihm. Sie ging weg, goss das Süppchen in die
Suppenschale, darauf that sie das Brustnädelchen, das ihr der Herr auf dem Balle gegeben hatte, dann stellte sie eine andre Suppe darauf, dann die Ohrgehänge, dann eine andre Suppe, dann das Armband und wieder eine andre Suppe darauf und so brachte sie es ihm.
Als der Herr sie sah, begann er zu schreien:
– Augenblicklich hinaus, ich will sie nicht hier darin haben, ich will sie nicht sehen.
– Lieber Herr, verkosten sie doch, sie werden sehen, dass sie gut ist.
– Nein, ich will es nicht.
– Verkosten Sie, es wird ihnen schmecken.
– Nein, geh hinaus.
– Lieber Herr, essen sie eine.
– Nur damit du weggehst, und er ass die obere Suppe, und als er das Armband fand, erstaunte er und sagte:
– Du weißt von meinem Mädchen; du kannst mir sagen, wo es ist, gestehe, wer dir dies gab.
Sie sagte nichts weiteres als:
– Lieber Herr, essen sie die andre, die noch viel besser sein wird.
Er ass sie und fand die Ohrgehänge.
– Esst auch die andre, die noch besser ist.
Und er ass sie und fand das Brustnädelein.
– Du kannst mir schon sagen, wo mein Mädchen ist, du weißt es.
– Wollen sie sie sehen?
– Ja und sofort.
Die Feuerbläserin wusch sich mit dem Wasser, zog das rosenfarbige Kleid an, zeigte sich dem Herrn und fragte:
– War es diese?
– Ja, sie war es, das ist mein Mädchen.
– Sie ging wieder weg, zog das rote Kleid an und fragte wieder:
– War es diese?
– Ja, sie war es.
Und sie ging wieder weg, um das himmelblaue, ganz mit Gold gestickte Kleid anzuziehen und fragte wieder:
– War es diese?
– Ja, sie war es, ja meine Mutter, diese ist mein Mädchen.
Nach wenigen Tagen war er gesund, sie heirateten und beide lebten, bis sie starben.

Aus der Märchensammlung: La font de Xorrigo. Die Xorrigos – Quelle. (Algayda.)

Als die Mauren und die Christen sich heftig anfeindeten, sodass diese, wenn sie eine Mauren-Galiote (Schiff) sahen, selbige sogleich verfolgten, oder die Mauren es den unsrigen ebenso machten, geschah es, dass man in Xorrigo einen Hirten benötigte, und die Pächterin sagte zu dem Pächter:
– Schau Gabriel, ich glaube, es wäre für uns vorteilhaft, wenn wir erfahren könnten, dass eine Schiffsladung Mauren zu verkaufen ist, und du zur Stadt gehen würdest, um einen Sklaven zu kaufen, der uns den Hirten machte; und so hätten wir nur für seinen Unterhalt zu sorgen.
– Ja, sagte der Pächter, ich hatte mir dasselbe auch gedacht.
– Also werden wir es machen, vielleicht werde ich dich begleiten und zugleich werden wir die Schwester besuchen, die seit langer Zeit uns darum gebeten hat.
Nach vierzehn Tagen erfuhren sie, dass man eine Galiote gekapert hatte, spannten den zweispännigen Karren ein und fuhren langsam, langsam der Stadt zu. Angekommen, stellten sie den Wagen bei ihrer Schwester ein, die sich über ihren Besuch freute und der Pächter ging dann nach dem Rathaus. Hier fand er die Mauren, die traurig und nachdenkend das Schicksal erwarteten, das sie treffen sollte, und auf die vorübergehenden Leute schauten. Der Pächter Gabriel gewahrte einen Jungen, schön und kräftig gebaut, von dem er die Augen nicht abwenden konnte. Nachdem er den Kauf abgeschlossen und die vereinbarte Summe bezahlt hatte, nahm er diesen Mauren mit sich, der von nun an sein Sklave war.
Am Abend kehrten sie wieder nach Xorrigo zurück und unterwegs sagten sie zu dem Sklaven:
– Bei uns zu Hause wird es dir gut ergehen, weil du den Hirten machen musst, und wenn du dich wie ein Mann beträgst, wird es dir so sein, als wenn du zu Hause wärst.
– Ja, fügte die Pächterin hinzu, wir werden dich wie einen Sohn halten.
Der Maure äusserte sich nicht und zeigte sich recht traurig, was natürlich ist für einen, der sich in seiner Lage befand.
Angekommen in Xorrigo, begab sich jedes an seine Arbeit und der Hirte zu seinen Schafen, um sie zu pflegen. Die Zeit verging und der Maure wurde sehr gut behandelt, ohne dass ihm etwas abging.
Es kamen einige sehr schlechte Jahre, und da es nicht regnete, hatten sie gar kein Wasser mehr, weil es damals keine Quelle wie jetzt gab. Das Vieh verendete vor Durst und der Pächter war ganz verzweifelt. Eines Tages, während des Abendessens, sagte der Maure, über diesen Gegenstand sprechend:
– Was gebet ihr mir für eine Quelle, die euch täglich mehr Wasser liefern würde, als der grosse Wasserbehälter hier draussen fasst.
– Viel.
– Und was würdet ihr mir geben, wenn ich sie fände?
– Schau, lasse das gehen; ebensogut könntest du wollen, dass ein Feigenbaum Orangen trägt.
– Warum! Euch frage ich, was würdet ihr geben, wenn ich sie auf dem Besitztum fände.
– Was ihr wollet.
– Also, wenn ihr mir die Freiheit versprecht, werde ich euch Wasser schaffen für das Vieh für die Besitzung und für die benachbarten Güter.
– Hast du es schon sicher?
– Ganz sicher, aber vorher müsst ihr mir versprechen, dass ihr mir, sobald ihr das Wasser bekommen werdet, die Erlaubnis gebet, fortzugehen.
– An dem Tage, an dem du eine solche Quelle, wie du sagst, finden wirst, werde ich dir sogleich die Freiheit geben.
– Versprecht ihr es mir?
– Ja, ich verspreche es dir.
– Also kommt mit mir.

Der Pächter nahm eine Laterne und der Maure eine Spitzhacke und sie gingen beide von Hause fort, nach einem tiefen Thale, das zur Besitzung gehörte.
Als sie am Fusse eines sehr hohen Felsens angekommen waren, begann der Sklave an einer Fuge zu hämmern, wo es schien, dass man schon einmal angefangen haben, zu bohren; als er eine gute Zeit gehämmert hatte, fiel ein Stück Stein herab und es sprang ein Wasserstrahl heraus, stärker wie ein Bein, der über den Pächter, welcher davor Licht machte, stürzte, und taufte ihn von oben nach unten. Gut, dass es Sommer war. Nun sagte er ganz erstaunt zu Amet:
– Niemals hätte ich das gedacht, du bist der wirkliche Teufel.
– Versprechen heisst Halten, erwiderte der Sklave, und nun kann ich frei nach meiner Heimat gehen.
– Schau, lasse das gehen. Du hast es gut genug.
– Meinetwegen; ich habe nichts zu klagen, weder über euch noch über die Pächterin, aber ich will fortgehen, Versprechen heisst Halten.
– Ei, ich will Zeit haben, um zu sehen, ob das Wasser immer fliesst; vielleicht versagt es morgen schon!
– Wenn bis in acht Tagen das Wasser ausbleibt, werde ich euer Sklave bleiben, wenn es aber fortfliesst, verlange ich die Freiheit.
– Es ist schon abgemacht, sagte der Pächter.
Es vergingen die acht Tage, und das Wasser floss in gleicher oder noch grösserer Menge wie am ersten Tage, aber der Pächter wollte ihm seine Freiheit nicht geben und mit Worten und Ausreden darüber hinwegkommen, indem er ihm sagte, dass ihm nie etwas fehlen würde, bis endlich der Maure, ärgerlich darüber, ihm sagte:
– Wenn ihr mir nicht die Erlaubnis gebet, wegzugehen, verspreche ich euch und mit einem zuverlässigeren Versprechen als das euere, dass ich euch das Wasser verstopfen werde und ihr werdet es niemals wieder auffinden.
– Du bist dazu nicht imstande, diese Quelle verstopft niemand.
– Nun, wir wollen es sehen.
– Pächter Gabriel, ihr werdet an manchem Tag bereuen, was ihr gemacht habt.
Einen Monat darauf hielten folgendes Gespräch der Maure und eine Hirtin von der benachbarten Besitzung, die zur Quelle kam, um zu trinken, und mit der der Maure schon andere Male gesprochen hatte.
– Ich sah dich aus jener Anhöhe, sagte der Sklave, und kam hierher, um von dir Abschied zu nehmen, weil ich ganz fest entschlossen bin, heute Nacht zu entfliehen. Lasse es doch niemanden erfahren.
– Und warum, Amet?
– Der Pächter versprach mir, dass, wenn ich eine Quelle finde, er mir die Freiheit schenken würde; die Quelle ist da und jetzt will er mich nicht frei lassen.
– Es wird der Tag kommen, wo er dich gehen lässt.
– Es ist schon lange Zeit her, dass er mir nein gesagt, und heute Nacht warte ich nicht weiter, ich muss fliehen; aber zuerst komme ich, um die Quelle zu verstopfen, weil der Pächter mir einen schlechten Streich gespielt hat.
– Es steht fest, dass er es dir so gemacht hat, aber ich erbitte für mich eine Gunst und das ist, dass, wenn du sie verstopfest, du mir wenigstens ein Strählchen fliessen lässt, damit ich im Sommer, wo es hier so warm ist, trinken kann.
– Es kann nicht sein, weil der Pächter es finden könnte.
– Wenn es noch so klein wäre, Amet, thue es meinetwegen.
– Es thut mir leid für den Pächter, aber ich werde es nur für dich fliessen lassen; wenn du den Pächter siehst, sage ihm, warum ich entflohen bin und dass er auf seine Haut acht geben solle, denn wenn ich Gelegenheit finden werde, wird er es mir teuer zahlen.
– Lasse ihn gehen.
– Er hat es verdient.
– Es ist wahr, aber sei nicht so.

Amet verschüttete die Quelle und verabschiedete sich von der Hirtin, die ihm für das Wasserstrählchen dankte, das er für sie gelassen hatte.
In jener Nacht entfloh er, ohne dass jemand es bemerkte; und als der Pächter die Quelle nachsuchte, konnte er nur den Durst löschen, den die Ermüdung und der Ärger ihm verursacht hatten. Sehr bereute er, dass er ihm nicht alles, was er wollte, zugestanden hatte und er lief noch nach der Stadt, um zu sehen, ob er ihn fände, aber es war umsonst, weil er schon das Wasser gewonnen hatte; er hatte sich eingeschifft und er war schon doppelt soweit von Mallorca entfernt als die Besitzung von der Stadt lag.
Sehr ärgerlich kehrte er nach Hause zurück und umsonst hämmerte er auf dem Stein und suchte das Wasser, er musste sich mit dem Strählchen begnügen. welches, dank der Hirtin, der Maure zurückgelassen hatte. *)

*) Dasselbe Märchen erzählt man in Alcudia von der Quelle des Puig de Son Fé. Man erzählt sie dort nicht so vollständig wie in Algaida, aber der Inhalt ist derselbe.
Von einer Quelle des Hort vey de sa Bastida de Sant Juan erzählt man auch dasselbe Märchen mit sehr wenig Veränderungen.