ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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Helgoland, eine Reiseskizze

Druck und Verlag:   Leo Woerl, Würzburg und Wien
Erschienen:                 1890 und 1901 (2. Auflage)

31 Seiten , 8 teils färbigen Holzschnitt-Illustrationen, 1 gef. Karte.

Beschreibung von Eindrücken einer Reise zur kleinen deutschen Insel Helgoland, die Ludwig Salvator als Jugendlicher rund ein Monat lang besucht hatte.


AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS MIT ORIGINALZITATEN: 

Ein nur kleines Büchlein und doch so reichhaltig zum Verständnis der wahrhaft poetischen Veranlagung des fürstlichen Verfassers. Die Lage von Helgoland, die Einrichtungen, das Leben auf der Insel werden uns klar und in reizvollen Farben geschildert. Interessanter und wichtiger für uns zu dem Zwecke, ein Lebensbild des Erzherzogs mit seinen eigenen Worten zu entwickeln, sind die Eindrücke, die er beim Anblick der See von der hohen felsigen Küste empfindet und die er so feinsinnig wiedergiebt.

„Wenn in den warmen Morgenstunden die Natur einen Augenblick zu schlummern scheint, und in wunderbarer Klarheit Himmel und Meer erglänzen, dann ist es ein wonnigliches Gefühl, dort auf jenen Anhöhen zu sitzen und hinunter in die Tiefe zu blicken auf die smaragdgrüne See, welche keine Brise kräuselt, und Steine in den Abgrund zu schleudern, die von Kante zu Kante springend, endlich ins Wasser stürzen und einen augenblicklichen Springbrunnen nebst einer Unzahl von Ringen veranlassen.

Wenn der Nordwind braust und graue Wolken sich am Horizonte ansammeln, auf deren schwarzem Hintergrunde sich das Leuchten der zuckenden Blitze grell abhebt, ist es ein schauriges Vergnügen, von jenen Höhen dem furchtbaren Anprallen der Wogen an die schroffen Wände zu lauschen, welches bloss vom wilden Gekreische der erschrockenen Seevögel übertönt wird. Bald folgt Woge auf Woge in regelmässigem, grossartigen Takte, bald jagen sich die Wellen, vom Sturmwinde gepeitscht, im verworrensten Gedränge. Obwohl im Hochsommer, welkt die kalte Luft die wenigen Blumen, und man glaubt die Natur in einer schmerzlichen Agonie begriffen zu sehen.

Unter allen Anhöhen ist aber keine so hoch und so schön, wie jene am nordwestlichen Ende, die man den „Sonnenuntergang“ nennt. Bis dorthin führt der vorhin erwähnte Pfad und hier hat man eine Bank aufgestellt, um das schöne Schauspiel, das die sinkende Sonne gewährt, besser geniessen zu können. Ich habe an vielen Orten den Sonnenuntergang gesehen, jedoch dünkt es mich, ihn nirgends so schön und so grossartig wie in Helgoland gefunden zu haben. Auch die Lage des Ortes trägt viel dazu bei, um den Eindruck zu erhöhen; die grünende Fläche hört plötzlich auf und läuft in schroffe und senkrechte Abstürze aus, welche die Seevögel umkreisen. Sonst gewahrt man nichts als das weite Meer, einsam und belebt zugleich, kein Segel unterbricht die glatte Fläche, die, von der sich neigenden Sonne beleuchtet, in Gold und Purpur strahlt. Der Himmel ist ganz wie mit Rosa überhaucht, und in unabsehbarer Ferne taucht die Sonne wie ein riesiger Meteor in das Meer; häufig liegen duftige Wolken am Horizonte, hinter denen sie wie eine feuersprühende Kugel verschwindet, bevor sie vollständig untersinkt.

Das dunkelblaue Meer breitet sich hier vor unseren Augen aus, und nichts als Meer und Himmel sieht man in der Ferne, kein Ruhepunkt bietet sich den umherspähenden Blicken dar als die öde Düne und die Rauchsäule einzelner vorbeifahrender Dampfschiffe. Man geniesst jene träumerische Stille und hat jenes Gefühl innerer Ruhe, das man nur am Meere empfindet, und welches bloss derjenige, der an demselben aufgewachsen ist und dem das traute Element die erste Unterhaltung in den Kinderjahren war, zu schätzen weiss.

Während meines Aufenthaltes auf Helgoland fuhr ich gerne mit den Fischern aufs Meer hinaus; die Gesellschaft jener einfachen Menschen ist einem viel angenehmer, ich möchte sagen auch lehrreicher, als die mancher Gebildeten. Man muss sich aber die dortigen Fischer nicht wie jene an der Adria oder des Mittelmeeres vorstellen; es sind viel feinere und gewitzigtere Leute, welche sogar den Fremden, die ihre Barke „beehren“, gedruckte Visitenkarten zur Erinnerung geben; dagegen fehlt ihnen der dichterische Anflug, welcher jenen sonnenverbrannten Kindern des Südens eigen ist. Trotzdem hatte ich meine Lust daran, in ihren Booten zu weilen und, von den Wogen geschaukelt, weite Segel einzuholen oder in unbeständigem Laufe den umherflatternden Seevögeln nachzufahren.