ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

wellen-1
Entourage
mallorca-1
kueste-1
An Deck der Nixe 2
hafen-1
nixe-1

Eine Spazierfahrt im Golfe von Korinth

Druck und Verlag:   Heinrich Mercy Sohn , Prag
Erschienen:                1876

Quart, 291 Seiten, 70 Textholzschnitt -Illustrationen, 60 Tafeln, 2 mehrfach gefaltete Pläne.

Beschreibung der Erlebnisse und Beobachtungen anlässlich einer Reise längs den wunderschönen Küsten des Golfes von Korinth mit seinen sagenumwobenen antiken Stätten. Mit einer Karte über den damals beabsichtigten Bau des Kanales von Korinth.


AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS MIT ORIGINALZITATEN:

Eine „Spazierfahrt im Golfe von Korinth“, so betitelt der Erzherzog Ludwig Salvator das Buch, in welches er die Erlebnisse und Beobachtungen bei seinem Ausfluge längs der Küsten des Korinthischen Meerbusens im Jahre 1872 niedergelegt hat. Eingehend schildert der Verfasser die landschaftlichen Reize dieses von der Natur bevorzugten Erdenwinkels, an den sich so reiche historische Reminiscenzen knüpfen.

Zahlreiche nach der Natur aufgenommene Landschaftsskizzen legen Zeugnis sowohl für den kunstsinnigen Naturfreund, als auch für die verständnisvolle Führung seines Stiftes ab.

„Kein Busen des Mittelmeeres“, schreibt der Erzherzog, „hatte in der antiken Welt eine so grosse Bedeutung, wie der Golf von Korinth. Als Seestraße im Herzen von Griechenland, als der gewöhnliche Verbindungsweg zwischen Ost und West, war derselbe das Emporium antiker Zivilisation. Reiche Städte zierten seine Ufer, vor allen Korinth, als die herrlichste von Hellas. Der Golf von Korinth oder von Lepanto, wie er auch von den Mittelmeerbewohnern häufig benannt wird, ist der Sinus Corianthiscus der Alten. Die Provinzen Ätiolien, Phthiotis, Böotien und Attika begrenzen denselben im Norden, der Isthmus von Korinth mit der gleichnamigen Provinz im Osten, die Provinz Achaien im Süden. Gleichsam als Hintergolf des Busens von Patras ist er ein Binnengolf im strengsten Sinne des Wortes, wie sich, das Marmorameer ausgenommen, kein zweiter im Mittelmeere wieder findet. Mit jenem nur durch die schmale, eine Meile breite Einfahrt der Castelli zusammenhängend, zieht er sich sanft abgerundet ostwärts hin, wo er mit einem Doppelbusen, dem von Livadostro und Korinth, abschliesst.

Gegen diesen letzteren trennt ihn der lediglich etwa 10 Meilen lange, an seinem nördlichen Ende nicht viel über 4 Meilen breite, flache, mergelige Isthmus von dem benachbarten Ägäischen Meere, und diesem Umstande verdankte der Golf von Korinth schon im Altertum seine Wichtigkeit, als die kürzeste Wasserstraße über Brundisium (Brindisi) an der nahen albanischen Küste und den hafenreichen Gewässern der jonischen Inseln nach Athen,, wohin selbst Schiffe auf einem ebenen Wege, den Diolkos, über die Landenge geschleppt wurden. Diese Überfahrt hatte, wie begreiflich, grosse Schwierigkeiten, und wenn sie auch bei den kleineren, leichteren Fahrzeugen der Hellenen meistens verwendbar war, blieb sie bei den schwereren und grösseren römischen Galeeren beinahe eine Unmöglichkeit. Nero setzte daher den der ganzen antiken Welt schon aus der Zeit der Periander vorschwebenden Gedanken des Durchstiches des Isthmus in Ausführung. Es wurde am westlichen Ufer dicht beim Diolkos sofort zur Arbeit geschritten und dieselbe in einer Länge von 4 Stadien ausgeführt, allein der Kaiser wurde infolge der Empörung des Vindex in Gallien genötigt, das Unternehmen aufzugeben, und der ca. 60 Meter breite und fast 1000 Meter lange Kanal liegt noch verödet und unbenutzt da. Durch den Aufschwung von Neu-Hellas angespornt, fasste man in neuester Zeit den alten Gedanken wieder auf, und es wurde von der griechischen Regierung im Jahre 1870 sogar eine Konvention zum Durchstich des Isthmus stipuliert. Doch auch dieses Unternehmen scheiterte, bevor man noch an die Arbeit gegangen.“

Der Erzherzog tritt warm für die Ausführung des Projektes ein; seinem Buche fügt er eine, den beabsichtigten Durchschnitt darstellende Karte bei.

Auffallend“, so fährt der fürstliche Verfasser fort, „ist im Korinthischen Busen der Unterschied im Charakter der durch den schmalen Isthmus mit einander zusammenhängenden Küsten. Auf der Nord-, d.h. auf der rumelischen Küste, finden wir ein hafenreiches, vielfach eingeschnittenes, meist aus Kalkstein und stellenweis aus Jaspisboden bestehendes Uferland, das wenig fruchtbar und, wenig Stellen ausgenommen, fast wasserlos und auch wenig bevölkert ist; im Süden dagegen die Küste von Morea fast geradlinig, aus Mergelboden und Konglomeratgebirge bestehend, hafenlos, dafür aber von der grössten Fruchtbarkeit, mit üppigstem Weingelände bedeckt, durch zahlreiche ergiebige Quellen und Bäche bewässert und infolgedessen auch dicht bevölkert, nur hin und wieder bilden die von den tiefen Thälern und Gebirgsschluchten herabstürzenden , wenn auch im Sommer vielfach versiegenden, zur Winterszeit aber mächtigen Bäche durch Anschwemmung des von ihnen mitgeführten Bodens vortretende Spitzen, zwischen denen einige mehr oder minder offene Rheden liegen. Unter den besten ist noch Vostitsa und Neranza; im Norden dagegen haben wir die zwischen dem Kap Andromaki und Sn Nicoló gelegene Bucht von Solona, Aspra Spitia, Dobrena.

Sowohl auf der einen wie auf der andern Seite der Küste ist die Landschaft in der grossartigsten Stilistik angelegt, hohe Berge, unter denen der Parnassus, der Helikon, der Djiria (das alte Cyllene) und der ewig beschneite Voidias, dazwischen tiefe Thäler, schotterreich und bläulich im zarten Tone der Farben, tiefazurne Buchten und heitere Ortschaften. Wenige Stellen der Welt vereinigen auf einer so kurzen Strecke so viel Grossartigkeit mit so viel Anmut, so viel klassische Schönheit in den Hauptformen mit der Grazie des Details gepaart.

Die beste Jahreszeit zum Besuche des Golfes ist vom 1. April bis Mitte Juni, weil man nicht der Winterkälte ausgesetzt ist und auch nichts von der Malaria und von Vuria zu befürchten hat, die erst später eintreten. In dieser Jahreszeit und auch selbst in den hohen Wintermonaten dürfte sich kaum eine Stelle zum Yachtfahren so geeignet finden. Ein seeartiges Meer voll der besten und leicht zugänglicher Häfen, reich an geschichtlichen Reminiscenzen und landschaftlichen Reizen. Auch ist dies die beste Gelegenheit, den Golf im Detail zu besuchen, denn die Unterkunft ist, wenn man nicht gerade an den Hauptplätzen bei Bekannten einkehrt, fast durchweg schlecht und schmutzig, und die den Postdienst verrichtenden Schiffe, die nur Lepanto, Vostitsa, Galaxidi, Solona und Korinth berühren, gewähren dem Wanderer im Dampferfluge natürlich nur ein phantasmagorisches Bild der Schönheiten des Golfes.

Die Stadt Lepanto oder Naupactos, von dem dortigen Bauernvolke Epacto genannt, zählt 1500 Einwohner, ist von mittelalterlichen Mauern gänzlich umzingelt, welche wahrscheinlich so ziemlich die Richtung der alten hellenischen Mauern verfolgen, die sich auch an mehreren Stellen als Grundmauern wieder finden, und bildet gleichsam ein grosses, gegen Süden und Südosten gekehrtes Dreieck, das sich an einen erdigen, nur obern etwas felsigen, aus grauem Sandstein bestehenden Hügel anlehnt. Zwei Mauern, wovon die westwärts liegende, an einer Stelle abgebrochen ist, laufen von der die Höhe krönenden Festung bis zum Meere hinab, werden in so ziemlich gleichen Abständen durch Quermauern miteinander verbunden, und bilden dadurch fünf verschiedene Abteilungen. Zwischen der zweiten Quermauer und jener, welche im Meere den Saum der Festung bildet, liegt die Stadt. Oberhalb der zweiten Quermauer stehen nur fünf isolierte Häuser, wovon eins mit einer einsamen Cypresse. In der Mitte dieser Abteilung liegt ein runder, mit Scharten versehener Turm. Die Mauer gegen das Meer ist durch die Öffnung eines elliptischen Bootshafens (Mandracchio) durchbrochen, wohin ein Thor mit flachen Rundungen führt und gegen welchen zwei Turmansätze vorspringen, die von zwei Schilderhäusern überragt werden. Rundum ist der Mandracchio von Mauern umzingelt, welche nun grösstenteils verfallen sind, auf ihrer Höhe ragen einige Platanen hervor; unweit davon steht eine schlanke Palme auf der Stadtmauer, gleichsam als türkische Erinnerung und Mahnung an die einstige Pflege dieser verödeten Stätte. Die Mehrzahl der Häuser Lepantos trägt ganz türkischen Typus, vortretende Thüreindachungen, türkische Dachhohlkehlen, manche nach levantinischer Art geziert, türkische Dacheinfassung von Brettern und Kamine. Die Dächer sind allenthalben mit Hohlziegeln gedeckt und grösstenteils mit Steinen belegt. Hölzerne Fensterpfosten mit getäfelten Läden kommen vielfach vor und nicht selten sieht man einen grossen Rebenstock den modernen Balkon umschlingen. Neben den Häusern trifft man häufig mit Orangen-, Zitronen- und Mandelbäumen bepflanzte Gärtchen; die Gassen sind ärmlich, unregelmässig, mit Ausnahme einiger steiler gegen die Festung, ungepflastert, aber voll Schotter von den baufälligen Bauten.

Fast alle Läden, die, weil vorn ganz offen, sehr licht sind, haben rückwärts eine Thür oder wenigstens ein Fenster, um den freien Luftzug zu gestatten.. Man sieht da Weinläden mit rotem Fähnlein an einem Pfahlrohrstab, in denen Wein verabreicht wird, und wo man häufig Kartenspieler trifft, Barbiere mit einem weissen Tuch, Bäcker nach türkischer Art, dazwischen stolz einherschreitende, meist bewaffnete Männer in Fustanella, manche mit dem glockenförmigen grauen, andere mit dem mit Ärmeln versehenen, weisen haarigen Mantel und dem roten oder schwarzen, auf einer Seite herabgeneigten seidenen Käppchen; dann einige griechische Offiziere mit landesüblichen Schuhen.

Galaxadi ist ein stilles ruhiges Städtchen. Der Hafensaum gegen die Stadt bildet das Zentrum des dortigen Lebens und Wirkens. Hier ist auch neben dem im Bau begriffenen Molo der kleine Marktplatz, wo unter stangengestützten Dächern Fische und Obst feilgeboten werden. Man sieht da an der Marina gravitätisch einherschreitende Leute in blauen Pumphosen und rotem Fez nach levantiner Sitte, manche in Pelz gehüllt, andere in Fustanella gekleidet, den Fez keck auf eine Seite gelegt.. Viele tragen nach türkischer Sitte einen Rosenkranz in der Hand, teils schwarz, teils aus Bernstein, und dann fast immer mit grossen Beeren.. Wie begreiflich, ist es hier an Sonntagen am lebhaftesten, indem ausser den sonstigen Spaziergängern auch zahlreiche Matrosen mit aufgeschürzten Jackenärmeln vergnügt die Gassen durchstreifen. Angenehm ist es, des Abends zuzuhören, wenn vom Strande her oder von den geankerten heimischen Schiffen, die im kleinen Hafen mit ihrer hohen Takelage ein phantasmagorisches Bild gewähren, anheimelnde, heitere Gesänge ertönen. Es sind zumeist italienische Lieder, welche die aus der Fremde kommenden Matrosen, bisweilen ganz junge Burschen, in Torre del Greco oder in Castellamare, in Genua oder auf den sicilischen Inseln erlernt haben. Als Begleitung dienen ihnen die griechischen Weisen von Knaben, die am Ufer bei flackernder Leuchte mit dem Dreizack fischen. Manchmal sind es Boote, die beim Fackelschein fischen und geisterähnlich Spitze um Spitze umfahren; wenn sie dann beutereich heimkehren, ertönen auch ihrerseits Lieder im heiteren vollen Chor.

Von der Scala di Solona nach Delphi oder Delphus, wie es die dortigen Landleute nennen, hat man 2 ½ Stunden zu reiten. Anfangs durchzieht man eine schön mit Wein- und Ölbaumpflanzungen besetzte Ebene, wo in ersteren viele kleine Cisternen als offene Becken zur Bewässerung angebracht sind. Bis Amphissa benutzt man die Landstraße, nunmehr wir der Weg nur als Reitpfad benutzbar und biegt dann auf Ölbaumpflanzungen, in welchen das Wasser Vernaso entspringt, gegen das Thal von Delphi ein. Von den felsigen Hügeln gegen Khryso übersieht man das herrliche, von charakteristischen Felsabstürzen eingefasste Oliventhal Solonas samt Sernikaki, Sirguni, Ayios, Georgios und dem grösseren Amphissa. Hat man die kleine, von einem Friedhofe mit Laternen umgebene Kirche Ayios Liax erreicht, so blicken wir in ein malerisches Thal mit dem waldigen Zimeno-Berg im Grunde und Ölbäumen in der Sohle, dann rötlich ansteigende erdige Hänge, während sich uns linker Hand, am Fusse der steilen Phädriadischen Felsen und wilder Schluchten, die kleine Ortschaft Delphi darbietet.
Es liesse sich kaum eine Stelle finden, die geeigneter wäre, leichtgläubige Gemüter zu verleiten, der divinatorischen Prophezeiung der apollinischen Pythia Glauben zu schenken.

Gleichsam als neugriechische Antiquität ist hier ein weissbärtiger 82-jähriger Greis, der unter Marco Botsaris in Missolonghi kämpfte und nun den Fremden die einzelnen Altertümer zeigt und erklärt. Bevor wir noch die Ortschaft erreichen, sehen wir rechts, unterhalb einer Friedhofsmauer, die Quadermauern des alten römischen Schlosses, und sonderbar, schon zur Zeit der Alten war hier die Stätte des Todes, denn es lag da die Vorstadt Pylae, einstens die Nekropolis von Delphi. Das jetzige Delphi ist eine ärmliche Ortschaft; eine schöne aus Quadern zusammengesetzte, aber teilweise durch Häuser verdeckte Mauer durchzieht sie. Prächtig erhalten ist eine pelasgische Wand, welche dem Tempel als Böschungsmauer diente. Sie besteht aus wunderschön zusammengesetzten unregelmässigen Steinen, auf welche zwei Reihen von niedrigen Quadern gleichsam als Gesims gelegt sind. Fast alle die flachen Steine der, soweit sie sichtbar ist, etwa 80 Meter langen cyklopischen Mauer, sind mit griechischen, sehr kleinen aber wohlerhaltenen Inschriften versehen. Vor dieser Wand sind auf einem Platze viele umherliegende Marmorblöcke, Stücke von marmornen verkehlten Säulen, Gesimsstücke, sowie ein Bruchteil einer riesigen Säule mit 44 dorischen, sehr breiten Kehlen, 140 cm im Durchmesser, zu sehen.
Es ist dies, nach der an der Basis angebrachten Inschrift, die Säule der Naxier, zum ewigen Gedächtnisse an das ihnen verliehene Vorrecht, als erste das Orakel zu befragen. Nach der Schrift zu urteilen, stammt dieselbe aus dem 6. Jahrhundert vor Chr. Die Stelle konnte nicht besser gewählt werden, denn wahrlich, schön ist von hier die Aussicht auf das Thal mit dem tiefen Bachbett des Pleistos. An der etwas höher gelegenen Stelle Lakkoma lassen uns in Felsen gehauene Stufen die Lage des einstigen Stadiums vermuten. Unweit davon beginnt der Nao genannte Teil, wohin man so ziemlich die Lage des alten Tempels versetzt. Etwas tiefer liegt das Hellenikon, eine 110 Meter lange Mauer, die sich parallel mit der pelasgischen hinzieht und einen Teil der Südmauer des Peribols bildete. Neben der Panagiya-Kirche finden wir Spuren des alten Gymnasiums. Die Panagiya-Kirche, inmitten üppiger Ölbaumpflanzungen, ist ein etwa 300 Jahre alter, recht interessanter Bau. Vor derselben sind viele Altertümer aufgestellt: Kolonnenbruchstücke, ein hübsches Relief eines männlichen Torso, endlich ein herrliches, eine Quadriga darstellendes Basrelief. Die Vorhalle der Kirche wurde durch Erdbeben zerstört, daneben erhebt sich jetzt eine hölzerne Campanella.

Das mit byzantinischen Malereinen versehene Innere weist eine alte, in Holz geschnittene Iconostasis mit Bildern auf Goldgrund auf. Es wird von sechs roh bemalten Säulen mit byzantinischen Kapitälen an den vier Ecken und oberhalb der beiden an den Seiten der nach aussen vortretenden Apsis liegenden Nischen getragen. Die Kuppeln der Hauptwölbung sind bei dem letzten Erdbeben eingestürzt, und jetzt ist das Ganze mit einem Dache provisorisch bedeckt. In der Apsis steht eine Riesenfigur der Panagiya mit dem Jesuskinde in einen Zirkel auf der Brust.

Alt-Korinth, einstens die Stadt des Luxus und der Mode, die sich noch zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung mit Athen um den Vorrang stritt, die Hauptstadt Griechenlands zu werden, ist nur mehr eine ärmliche Ortschaft auf sachter Lehne des hier gegen die Ebene und den Golf in drei Bankstufen von der Akropolis bis zum Meere hinabsteigenden Bodens. Sie zählt 200 weit auseinander liegende Häuser, sodass sie vom Meer aus immer noch den Anschein gewisser Grösse beibehält. Der Baumwuchs zwischen den Häusern Alt-Korinths ist recht üppig; in den häufig in Beete eingeteilten Gärten wachsen Mandel-, Maulbeer- und Feigenbäume, sowie viel Gemüse, dessen Pflege durch den Wasserreichtum der Ortschaft sehr erleichtert wird. Es bestehen dort nämlich sieben Quellen, die ausserhalb der Ortschaft liegenden des Hadji-Mustapha und der Aphrodite mitgerechnet. Auch die Bienenzucht wird nicht vernachlässigt; man sieht in den Gärten häufig Bienenstöcke mit Körben, die mit Lehm überstrichen und mit Stroh gedeckt sind.
Das Zentrum der Ortschaft bildet ein von Platanen beschattetes Plätzchen mit mehreren Schenken ringsum und einer Quelle, zu der Stufen hinabführen. Das Ganze zeigt ein echt türkisches Gepräge. Als ich eines warmen sonnigen Morgens dort war, sass ein alter Mann mit turbanartig umwundenem Fez an der Quelle und raucht ein langen Zügen an seinem Tschibuck; andere Männer tanzten, einander die Hand reichend, bei Pfeifen und Trommelmusik unter Platanen den Sirtó. Viele von ihnen hatten den Kopf mit Käsekörben bedeckt. Man wähnte sich förmlich in die Türkei versetzt. Vor den Weinschenken sassen Leute lässig und halb in Masticarausch auf Strohtabourets ohne Lehne. Aufgefallen ist mit auch ein Ziegenbock, der in einer Weinschenke stand und ruhig den Betrunkenen nachblickte – eine Mahnung an die rebengekrönten Böcke antiker Bacchusfeste.

Der Weg zu dem 575 Meter hohen Akro-Korinth, der Akropolis von Korinth, einem Gemenge von hellenischen, fränkischen, venetianischen und türkischen Mauern führt an der Hadji-Mustapha-Häusergruppe vorbei, an deren Ende eine hübsche, teilweise aus antiken Marmorstücken aufgebaute und mit einer türkischen Inschrift versehene Spitzbogenquelle sich befindet. Von hier fängt der Weg an bergauf zu gehen. Unter uns sehen wir die Häusergruppe von Aplogà und wenn wir ein Bachbett mit der türkischen Quelle von Balu und dann einige Feigenbäume passiert haben, gelangen wir auf dem schottrigen Kalksteinboden zu einer zwischen beiden Hügeleinschnitten befindlichen Thalfurche. Prächtig ist von hier die Ansicht des Hauptthores, das uns gleichsam als eine phantastische, grandiose Theaterdekoration erscheint, sowie des Schlosses von Pendeskuti mit dem rückwärts liegenden Gebirge. Auf der höchsten Höhe der Akropolis, wo sich noch Spuren des Venustempels befinden, liegt das sogenannte Kirchlein von Ayios-Lias mit herabgestürzter Kuppel und mit Fenstern auf beiden Seiten des Mihrab und des Gebäudes. Im Innern haben zahlreiche Wanderer auf die geschwärzte Wand ihr Namen hereingekritzelt. Herrlich ist von dieser Höhe die Aussicht über den Isthmus, auf den Golf und die Ebene, auf das Ägäische Meer mit den Inseln, Piräus im fernsten Dunste, auf die felsigen Höhen und die zweite schlossgekrönte Anhöhe mit den beiden rechts und links sich hinziehenden Thälern.

Auf einer flachen Sandspitze liegt, da, wo einst ein Tempel des Poseidon sich erhob, dem ein andrer auf der gegenüberstehenden Spitze von Anti-Rhion entsprach, das feste, mittelalterliche, grösstenteils von den Venetianern erbaute oder wenigstens umgebaute Schloss von Rhion, nun aber stark vernachlässigt. Ein kuppelartiger Eingang führt uns schief durch einen flach gewölbten Gang ins Innere der Feste. Zur Linken erscheint uns im grössten Turm, durch ein riesiges weissgestrichenes Kreuz bezeichnet, die Kirche; sie bietet im Innern eine grosse Kuppel, in welcher rückwärts die Ikonostasis angebracht wurde; Kanonenscharten dienen zur Beleuchtung. Die Westseite der Kaserne wird als Gefängnis für schwerere Verbrecher benutzt. Als ich dort war, fand ich darin 246 Gefangene, von denen 40, wie mir der Kommandant sagte, geköpft werden sollten; letztere gingen in Ketten herum. Auf der Ostseite sind auf ähnliche Weise, aber minder bewacht, die leichteren Gefangenen eingesperrt; es waren ihrer 38 anwesend. Die einen wie die andern hatten ein wildes Aussehen, waren aber durch die lange Gefangenschaft abgemagert und blass.
Auf der Festungsspitze angelangt, sah ich vergnügten Herzens meine Aufgabe vollendet; sinnend sass ich auf dem äussersten Ende der Festung und blickte bald nach dem traumhaft sich verbergenden Golfe, bald nach der hinauslockenden See. Zugleich dachte ich an den Sieger von Lepanto und an Byron, den modernen Kämpfer für gleiche Ideen, und das blaue Kriegsbanner, das über meinem Kopfe wehte, galt mir als Zeugnis der endlich erlangten Freiheit, bis mich gleichsam als höhnische Parodie das Rasseln der Ketten der Gefangenen aus meinen Träumereien aufrüttelte.“

Diese kurzen Auszüge aus dem Buche „Eine Spazierfahrt im Golfe von Korinth“ des Erzherzogs Ludwig Salvator genügen, um in ihm, wie in seinen anderen Schriften, den kunstsinnigen und verständnisvollen Reisenden zu erkennen, einen Führer, an dessen leitender Hand es gewiss keinem gereuen wird, wenn auch nur im Geiste, die genussreiche Rundfahrt um diese herrliche Küste zu machen. So ist es auch mir ergangen, freudig und gerne habe ich den Erzherzog im Geiste begleitet, wenngleich ich oft auf diesem klassischen Boden in Bezug auf die gegenwärtigen Verhältnisse mit Schiller trauern musste:

„Wie ganz anders, anders war es da!
Als man deine Tempel noch bekränzte,
Venus Amathusia.“