ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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Die Stadt Palma

Druck und Verlag:    F.A. Brockhaus, Leipzig
Erschienen:                 1882

Separatabdruck des vierten und fünften Bandes (1. Teil) des Hauptwerkes „Die Balearen. In Wort und Bild geschildert“, der geschlossen die Stadt Palma de Mallorca behandelt.


BUCHBESPRECHUNG AUS DER „ALLGEMEINEN BAUZEITTUNG“ – Hauptteil 1884, S. 23 ff. (16)

Der auf dem Titel des Buches nicht genannte, aber dennoch wohlbekannte Verfasser des vorliegenden Werkes, Se. kaiserliche Hoheit, der österreichische Herr Erzherzog Ludwig Salvator, hat mit diesem Theile seines grossen Reisewerkes über die Balearen, der als ein abgerundetes Ganze eine Monographie
der alten Stadt Palma, oder Mallorka, bildet, speziell der unsere Leserkreise interessirenden Kunst-geschichte einen reichen und werthvollen Beitrag geliefert. Die Stadt Palma, Hauptstadt der Insel Mallorka und überhaupt der Inselgruppe der Balearen, war einige Zeit auch Residenz der Mallorquinischen Könige, welche nach Ueberwindung der Mauren ein selbständiges Inselreich gegründet hatten.

Es ist geradezu bewundernswerth, mit welcher Liebe zur Sache, mit welcher Gründlichkeit der hohe Verfasser zu Werke gegangen ist. Er hat sich das Studium der Quellen in den dortigen Archiven, Bibliotheken und Sammlungen, das Erkundigen bei den Gewährsmännern, das Erforschen des Volkslebens in einer Weise und Ausdehnung angelegen sein lassen, dass er, wie über die Stadt im Ganzen, so über jedes einzelne Gebäude, sei es ein öffentliches, sei es ein privates, die vollständigste Auskunft nach jeder Richtung zu bieten im Stande ist.

Da ist keine Steinart, deren Qualität und Provenienz er nicht anzugeben‘ vermöchte, keine, noch so kleine, unbedeutende Architekturpartie , die er nicht nach Styl und Styl-Abart, nach Zeit der Entstehung, nach Kunstwerth und Bedeutung zu erläutern vermöchte. Da ist kein noch so unbedeutend nach der Gasse schauendes Haus, von dem er nicht wüsste, was es enthält, wer sein Besitzer, was über seine Vergangen- heit zu berichten ist. Jedes Plätzchen in den Strassen der Stadt erzählt uns durch ihn seine Geschichte. Dass wir über die grösseren Privat- und öffentlichen Gebäude der Stadt und der städtischen Umgebung solcherweise ausgiebig unterrichtet werden, ist wohl selbstverständlich, und ich will hiezu nur noch erwähnen, dass dies Alles in so schlichter, bescheidener, anmuthig schildernder, die echte Empfindung und das warme Interesse für Geschichte und Kunst verrathender Weise gegeben wird, dass man nicht nur nicht ermüdet, dem Führer durch alle Gassen und Gässchen, in die Höfe der Häuser, in die Hallen der Kirchen, in die Kolonnaden der Klöster zu folgen, sondern, dass man mehr und mehr das eigene Interesse geweckt fühlt und an der Freude Theil nimmt, wenn wieder irgendwo hinter unscheinbarem Aeusseren ein baulich interessanter oder malerischer Einblick gewonnen wird. Besonders erfrischend wirken die nicht seltenen, von der grossentheils bergigen Lage der Stadt begünstigten Ausblicke auf das blaue Meer, auf die grüne Ebene, auf die umzirkelnden Gebirge, die er mit wohlthuender Begeisterung zu schildern versteht. Goldgelb schimmern die alten Quadermauern ­auf dem azurblauen Aethergrund. Der fast allgemein verwendete Baustein aus der Nachbarschaft, eine Kalkbreccie, vergilbt in der Flucht der Jahrhunderte.

Welche Wärme, welcher Glanz der Farbe, zumal unter den Strahlen der sinkenden Sonne! Wie anmuthig vervollständigt der Verfasserseine Bilder durch Schilderung der zufällig dabei befindlichen Bäume und Bäumchen, Gärtchen und Blumen! Wie vor vortrefflich ­trefflich vortrefflich sind aber seine Schilderungen auch unterstützt durch die zahlreichen Illustrationen, ­die, theils auf eigenen, meist aber auf photographischen Aufnahmen basirend, in meisterhaftester Weise dargestellt sind! In der That drängt es mich, gleich hier der vorzüglichen typographischen Ausstattung zu erwähnen, welche der Verleger dem
Werke hat angedeihen lassen und gerade die Textfiguren sind Meisterwerke der graphischen Kunst. Die feine Tonmalerei, die ganze Weichheit der Photographie ist in diesen Holzschnitten wiedergegeben, Architektur und Ornament sind mit dem vollsten Formenverständnisse und mit minutiösester Naturtreue wiedergegeben.

Was nun den architektonischen Charakter der Stadt Palma anbelangt, so ist er in der Hauptsache dem Charakter der Architektur Spaniens identisch, nicht ohne gleichwohl einige Besonderheiten aufzuweisen. Aus der mit dem Jahre 1229 endenden Zeit der Maurenherrschaft ist sehr wenig erhalten geblieben, die Moschee’n sind umgewandelt in christliche Kirchen oder Kapellen, die Minarets sind verschwunden; ­
nur Reste der Ummauerung, ein paar alte Thore, ein kleines mau maurisches ­Bad, das sich in einem Privathausgarten erhalten hat, die Eingangsbogen des Palastes, bilden die wenigen sichtbaren Reste. Dagegen hat sich eine Architekturform als Spezialität erhalten, die sich in älteren Gebäuden vielfach wieder wiederholt ­und welche an die Maurenzeit erinnert: die zwei-, drei- und vierfach gekuppelten, ­schmalen, säulchengetrennten Fenster, welche Coronellas genannt werden.

Im Allgemeinen sind die Gassenfronten der Häuser klein und zudem fenster fensterarm. ­Der Hof des Hauses mit weitgesprengten Flachbögen arkadirt, darein die Treppen offen, oder mit frei überhangendem Dache überdeckt, untergebracht sind, der Eingang zum Hofe eine Halle bildend. In Rücksicht auf das Klima, die heisse Sonne namentlich, springen die Dachungen weit vor, zeigen gezierte Sparrenköpfe, oft paarweise gruppirt und zum Theile reiche Kassettirung in den Feldern zwischen den Sparren. Um Kühlung über den Decken der Zimmer zu schaffen, ist das Dach um eine Art Kniestock erhöht, dessen Luftraum nach aussen, ohne Fensterverschluss, offen mit der Athmosphäre kommunizirt. Diese Kniestocköffnungen geben nun ein wirk wirksames ­architektonisches Motiv ab. Bogenstellungen oder nur offene Fensterlücken tiefe schwarze Flächen in die von dem vorspringenden Dach beschattete, aber vom Reflexlicht erhellte Mauer zeichnend, das gibt eine effektvolle Bekrönung des Gebäudes, wie sie kaum mit viel reichereren Mitteln in anderer Weise erreichbar ist. Alero wird das vorspringende gestelzte Dach genannt. Die alten gekuppelten
Coronella-Fenster gehen im Laufe der Zeit über in gothisch geformte, meist kielbogenförmige ­
Fenster und Thüren, die wieder zu den spezifisch spanischen, gothisch untermischten, reichornirten, sogenannten platelesken Renaissancefenstern und Thüren überleiten, um endlich dem modernen Fenster mit eisernem Balkongitter zu weichen.

Eine schöne Kaufhalle aus gothischer Architekturperiode, die Lonja, über einigen Mittelsäulen zweischiffig eingewölbt, von zinnenbekrönten Mauern mit Eck Eckthürmen ­und thürmchenartigen Lisenen umschlossen, durch reiche gothische Portale zugänglich, durch schöne gothische Fenster erleuchtet, bildet den hervorragendsten Profanban. Die Kirchen, meist gothischer Struktur, modernisirt, äusserlich unscheinbar, gipfeln in der mächtigen Domkirche, deren schöne Portale und anderes Detail in
vortrefflichen Abbildungen mitgetheilt werden. Grundriss und Schnitte und eine sehr eingehende Beschreibung ergänzen die Mittheilungen über diesen Bau. Der Verfasser führt uns noch ferner auf die Märkte, zum Hafen, in die Kaffeehäuser, er schildert das liebenswürdig und gut geaitete Volk in seinem Leben und Treiben, um sodann noch einen Streifzug in die nächste Umgebung zu unternehmen, wo zahlreiche Villeggiaturen, unter Anderem aber auch der eigenthümliche befestigte Rundbau des auf einem föhrenbewaldeten Hügel stehenden Bellver besucht werden, der auf seinem platt terrassirten Dache eine geradezu entzückende Aussicht bietet. Der Bellver, früher pulchra vista genannt, ist ein mit Graben und Wall umgebenes festes Schloss, das als Gefängniss verwendet wurde und finstere Erinnerungen birgt, die sich
aber dem Besucher angesichts der entzückenden Rundschau leicht vergessen lassen.

Der Genuss, den das Werk mir geboten, der Zauber, den es auf mich aus auszuüben ­vermochte, wird sich sicherlich jedem empfänglichen Leser mittheilen; der Fachmann kann sich Anregung und reizende Motive holen und ich beglückwünsche nochmals auch die Verlagshandlung, die eine typographische Meisterleistung herzustellen verstanden hat.

Köstlin.