ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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Entourage
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Das was verschwindet

Druck und Verlag:   F.A. Brockhaus, Leipzig
Erschienen:                1905

Quart, IX, 87 Farbtafeln mit jeweils vorangestelltem Erläuterungstext

Gebundene, erweiterte und textlich ergänzte Version der bereits zwischen 1870-78 in fünf Lieferungen erschienenen Farbtafeln „Die Serben an der Adria“

 

BUCHBESPRECHUNG AUS DEN „MITTHEILUNGEN DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT“ – Hauptteil 1905, S. 280 ff. 

Das was verschwindet! Was ist mit diesem Rätselworte gesagt? So wird mancher fragen, der diesen etwas aparten Titel liest, und wird,wenn er den vorliegenden Prachtband aufsehlägt, belehrt, daß der hohe Autor uns jene mannigfachen, malerischen, mitunter höchst kostspieligen und prunkvollen Trachten vor Augen führt, wie sie in den Küstenstrecken und Bergen Kroatiens, Dalmatiens, der Herzegowina und Montenegros heute noch vorkommen. „Heute noch!“ Denn unaufhaltsam verschwinden diese pittoresken Trachten immer mehr und mehr. Solange das Volk mit der Außenwelt nicht in Berührung kommt, solange keine Bahnverbindungen bestehen und der Fremdenverkehr nur ein geringer ist, hängt das Volk an
dem Althergebrachten und demgemäß auch an der von den Vätern übernommenen Tracht, an dem ererbten Schmucke, Waffen u. dgl. Wenn aber einmal der Schienenstrang gelegt ist, wenn der schrille Pfiff der Lokomotive in die entferntesten Täler dringt, wenn ein reger Verkehr nach der Küste und nach den benachbarten Städten eintritt, wenn immer mehr Fremde das Land durchziehen und an den alten Kostümen und Waffen Gefallen finden, dann naht die Zeit, wo der Sinn für die alte Tracht zu schwinden beginnt, wo statt der kostbaren Kostüme einfache und billige Kleider an deren Stelle treten. Der hohe Autor bemerkt hierzu: „Kostbare Kleider werden an Sammler verkauft, kunstvolle Waffen schmücken elegante Salons
oder haben in Waffensammlungen Platz gefunden;“ kurz der Moment ist gekommen, daß das Bestehende verschwindet. Finden auch die modernen Ideen, die Neuerungen nicht mit einem Schlage Eingang bei diesen Naturvölkern, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß die Zeit das Originelle, Eigenartige an Sitte und Tracht immer mehr verwischt.

Es war deshalb ein glücklicher Gedanke des hohen Autors, alles das, was verschwindet, sozusagen im letzten Augenblicke noch zu retten, zu fixieren und vor der Vergessenheit zu bewahren. Erzherzog Ludwig
Salvator hat uns in dem vorliegenden Bande ein wahres Prachtwerk geboten, dessen Text aus seiner bewährten und gewiegten Feder stammt und dessen herrliche Bilder — 87 an der Zahl — nach seinen eigenen Aquarellskizzen ­von den bekannten Künstlern Doubek, Joanovitz, Lauffer,
Maixner und Manes ausgeführt wurden.

Es sind meisterhafte Trachten- und Typenbilder, die uns der illustre Verfasser vorführt. Bezüglich der Trachten bemerkt derselbe, daß es in den durchforschten Gebieten drei Haupttypen der Männertracht gibt: die mit der enganliegenden Hose und der kurzen Jacke, d. i. die eigentliche morlakische Tracht, dann jene mit der kurzen, weiten Jacke und der Pumphose, wie sie im Narentatale, im Ragusäischen und in einem Teile der Herzegowina vorkommt, und dann jene mit dem langen, nach unten sich auf aufbauschenden ­
Rocke, der von weitem der Fustanella der Griechen ähnelt, und der nicht sehr weiten Pumphose, wie solche in der Bocche di Cattaro und in Montenegro vorkommt. 

Die Frauen tragen dagegen in den nördlichen Gebieten und im Gebirge zumeist die Dalmatica, in den südlichen Teilen und auf den Inseln das Jäckchen. Einen Hauptbestandteil der Frauentracht bildet die schwere wollene Schürze, die heute schon an manchen Orten durch eine zumeist buntfarbige seidene ersetzt wird. Manche haben nur das einfache, lang herabwallende Hemd als Hauptbestandteil der ganzen Kleidung. — Bei den drei Haupttrachten der Männer variiert auch die Kopfbedeckung. Zur ersten Tracht gehört das kleine Käppchen, zur zweiten die rote, auf einer Seite sitzende, mit einer Quaste versehene Mütze, zur dritten endlich das steife, ringsum schwarze, oben aber gestickte Käppchen der Montenegriner. ­

Über die Bevölkerung der Küstenstrecken äußert sich der hohe Autor dahin, daß dieselbe als ein kräftiger, durch Strapazen, Entbehrungen und durch das rauhe Klima gestählter Menschenschlag sich darstellt. Aber
auch unter der rauhen Hülle sind edle Eigenschaften verborgen, namentlich unter den Männern soll das Gefühl biederer Freundschaft, die auch gegenseitige ­Verteidigung bedingt, häufig vorkommen.

Außer den Erklärungen der einzelnen Kunstblätter bietet uns der hohe Autor überdies – wenn auch
nur knappe – Schilderungen der bezüglichen Gegenden. Insbesondere das reizende Almissa scheint der durchlauchtige Verfasser in sein Herz eingeschlossen zu haben, indem er berichtet: „Malerisch unter den malerischsten Plätzen Dalmatiens ist das abgeschlossene Almissa. Eine tiefe Schlucht, feucht und grün, zwischen jähen grauen Felsen mit ockerroten Stellen. Ein Bild, das ich immer wieder zeichne, so überraschend neu erscheint es mir jedesmal.“

Daß dieses großartige Operat nicht plötzlich entstanden ist, sondern durch lange Zeit vorbereitet wurde, liegt auf der Hand. Welche Summe von Forschung, Arbeit und Fleiß liegt in diesem Werke aufgespeichert;
und wahrlich, der Titel, den der durchlauchtige Verfasser diesem Prachtwerke ­gab, ist sehr richtig gewählt; denn es wird uns sehr viel geschildert und vor Augen geführt, was früher oder später verschwindet.

Der hohe Autor hat auch im vorliegenden Falle reichliche Proben seiner scharfen Beobachtung sowie seines warmen Empfindens für die Volksseele geliefert. Niemand wird dieses herrliche Werk ohne volle Befriedigung und ohne des ruhmreichen Verfassers — des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs
Ludwig Salvator — dankbarst zu gedenken aus den Händen geben.

Br. Ernst Galli