ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres
Druck und Verlag: Heinrich Mercy, Prag
Erschienen: 1895
Gr. Quart. 177 S. 31 Illustrationen 26 (1 gefalt.) Tafeln, 3 Pläne
AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS MIT ORIGINALZITATEN:
Auf dem himmelblauen Grunde des Einbandes steht in Silberschrift das geheimnisvolle Wort „Columbretes“, über welches fliegende Seemöven ziehen, während den unteren Teil des Buchdeckels, gleichfalls silberschimmernd, das Abbild eines säulenartigen hohen Felsenriffes, das aus den Meeres-wogen emporgestiegen ist, schmückt. Zur Rechten dieser Felsensäule sieht man die Hauptinsel der Columbretes mit dem Leuchtturme und andere Felseninseln der Gruppe, zur Linken gleichfalls zackenreiche Inselriffe aus den Fluten aufstreben.
Das Werk, mit einer grossen Zahl von Federzeichnungen geziert, ist eine Monographie der im Mittelländischen Meere liegenden Gruppe von Felseninseln, welche nach den Schlangen, die einst dort zahlreich heimisch waren, Columbretes genannt wird. Das Mittelmeer ist bekanntlich das Arbeitsgebiet des Erzherzogs, der, kaum dass eines seiner Werke dem Ende entgegengeht, auch schon mit freudigem Eifer ein neues in Angriff nimmt, oder doch vorbereitet. Mit welcher Gewissenhaftigkeit der erlauchte Autor und Künstler bei der Aufnahme seiner Zeichnungen, bei der Aufsuchung und Feststellung der notwendigen Daten vorgeht, ist aus jeder seiner Arbeiten ersichtlich. Die Zeichnungen, flott und gewandt mit der Feder hingeworfen, sind durchwegs von einer geradezu lebendigen, packenden Plastik, und obgleich vielfach nur die Konturen der einzelnen Inseln und Felsenriffe festgehalten und nur wenige Schattenstellen markiert sind, gewinnen die Ansichten doch beinahe den Reiz des Farbigen und Lebendigen.
Man kann kaum rascher die Eigenart der Inselgruppe vorführen, als wenn man die einleitenden Worte, welche der Verfasser dem Werke vorgesetzt hat, hier wiedergiebt. Auch in dieser knappen Schilderung finden wir den vollen Reiz der frischen ungekünstelten und getreuen Darstellung, welche uns aus dem ganzen Buche so gewinnend, überzeugend und unterrichtend entgegenweht. Gleich die ersten Sätze rollen die Welt um die kleinen Felseninseln der Columbretes vor unserem geistigen Auge in blendender Schöne auf:
Vielleicht an keiner Stelle des Mittelmeeres zeigt sich die Natur so heiter, so lachend, wie an Valencias Ufern. Der Himmel wetteifert an Bläue mit jenem von Syrien und Ägypten, die Wogen des blauen Meeres brechen sich sanft und liebkosend am sandigen Ufer, dahinter erstrecken sich die schönsten Gefilde mit dem üppigsten Boden, von reichhaltigem Wasser berieselt, wo sich die schwelgerischeste Vegetation entwickelt, in den gesegneten Huertas von Valencia und Castellon mit den endlosen Orangenpflanzungen. Ja, es scheint, dass auch die Einwohner dieses allgemeinen Segens teilhaftig wurden, wie in der geweckten Anlage ihres Geistes, so in der Schönheit ihrer Formen. An der nördlichen Grenze dieses Golfes, gleichsam die Meilenzeiger, um ihn beim Annähern dem Schiffer kenntlich zu machen, liegen die kleinen vulkanischen Felseninseln der Columbretes, die von der Natur des benachbarten Festlandes ganz abstechend, gleichsam das Gegenstück zu den griechischen Kaymenen im westlichen Mittelmeere bilden . . . Häufig war ich an ihren Ufer vorübergefahren und in manch dunkler Nacht hatte ich ihr schützendes Leuchtfeuer erblickt; nun wollte ich aber eine zeitlang auf denselben weilen und sie dünken mir noch wie eine Vision von Sonne, Meeresbläue und labender Brise. Das stille abgeschlossenen Leben mit den wenigen Turmwächtern, den einzigen Bewohnern des grösseren Felseneilandes, wirkte erholend und begeisternd zugleich, und diese Einsamkeit war mir so lieb geworden, dass, aufrichtig gesagt, mir eines Tages fast bange wurde, als ich ein Segelboot herankommen sah und glaubte, es sei nach Columbretes gerichtet; doch ward es mir bald leichter zu Mute, als es seinen Kurs änderte und dem Festlande zu hinauflavierte. Endlich kam aber auch der Tag, an dem es scheiden hiess von dieser Felseneinsamkeit, und es blieb mir nichts als die Erinnerung und die flüchtig auf Papier gebrachten Skizzen von Columbretes.
In wenigen Worten orientiert uns der Autor über die Lage der Inseln, indem er schreibt:
Die Columbretes liegen auf der höchsten Stelle einer Schlammbank, welche, von braunem Sande umgeben, mit 70 bis 85 Meter Wasser darüber, sich bis 15 Meilen weit südlich erstreckt, fast 3,5 Meilen von Norden nach Süden einnehmend. Sie bilden vier Gruppen – die der Hauptinsel Mascarrat und Moncolibre und jene der Ferrera, der Foradada und des Bergan-tin – welche voneinander durch Kanäle mit Kiesel- und Muschelgrund geschieden sind…
In einer Reihe von Tabellen werden späterhin die Beobachtungen der Torreros (der Leuchtturmswächter) über die klimatologischen und meteorologischen Verhältnisse der Inseln niedergelegt, ebenso wird über die geognostischen Elemente der Gruppe Ausführliches mitgeteilt. Von besonderem Interesse sind die Mitteilungen über die Pflanzen- und Tierwelt auf den Inseln.
Eine Spezialität von Columbretes“, heisst es da, „sind die zahlreichen Skorpione, welche man namentlich vom 15. Mai bis zum 15. September in Menge vorfindet. Anfangs konnte man nicht einen Stein heben, ohne darunter eines oder mehrere dieser Tiere zu sehen. Die Arbeiter, welche bei dem Baue des Leuchtturmes beschäftigt waren, vertilgten sie, namentlich des Nachts, eine Fackel aus harzigem Holz in der einen und eine Zange, um sie zu fassen, in der andren Hand. Noch mehr trugen jedoch zur Vertilgung der Skorpione, die Hühner, die man einführte, bei, welche sie mit Vorliebe frassen . . .“ Tauben giebt es nicht an den Küsten dieser Inseln und Inselriffe, auch keine Kormorane, dafür aber Silbermöven auf den Inselriffen Ferrera und Foradada. „Sie kommen“, erzählt der Autor, „namentlich im Frühjahre nach den Columbretes, wo sie mit Freuden begrüsst werden; sind sie doch die Frühjahrsboten, welche auf den friedlichen Felsen unbelauscht und ungestört ihr Nest anlegen.
Der Verfasser verrät ein scharfes Auge für die Vorgänge in der Natur und entwirft ein lebhaftes Bild, indem er schreibt:
Und horch, wie sie gellen in verlorenen Harfentönen, wenn sie auf einer Felsenspitze sitzen. Wenn sie fliegen, so geschieht dies langsam, wie mit Behagen; bei ihnen ist das Fliegen nicht Zweck, sondern Unterhaltung, und ihr Silberweiss sticht scharf ab von der doppelten Bläue des Meeres und des Himmels und sie dünken einem fast als ätherische Gestalten. Wenn der Nordost naht, da fliegen sie nicht gaukelnd wie gewöhnlich, sondern stetig und wie gegossen hoch in den Lüften, windwärts, gleichsam als Steuerleute, die Augen gegen ein unsichtbares Ziel gerichtet, und es scheint, als würde ihre Freude bloss darin bestehen, den genügenden Widerstand der entgegenströmenden Luft zu bieten, um an derselben Stelle zu bleiben, als wollte sie sich nicht von der heimatlichen Scholle entfernen und nur dem hereinbrechenden Sturmwinde trotzen. So sieht man ihrer manchmal eine ganze Reihe und das Wahrzeichen wird selten fehlschlagen. Bald wird die Oberfläche des schon säulenartig Wellen voraussendenden Meeres sich kräuseln und schon gewahrt man in der Ferne die weissen Lämmer des anlangenden Windes.
Aus diesem mit kräftigen Farben gemalten Bildchen erkennt man sofort den gewiegten kundigen Seemann, den tiefen Beobachter der Erscheinungen auf dem Meere und in den Lüften. Und an derartigen kräftig geschilderten Genrebildchen der Natur ist das Werk überreich. Nur wer mit allen Stimmungen im Leben auf dem Meere so vertraut ist, wie der erlauchte Schriftsteller, wer so, wie er, aus der Fülle seiner vieljährigen Erfahrungen schöpfen kann, vermag in scheinbar so nebensächlichen Schilderungen wahrhaft lebensvolle, lebenstreue und instruktive Wahrnehmungen zu geben.
In dem Kapitel über Fischfang und Jagd finden sich sehr lesenswerte Daten über die Fischer und ihre Erwerbsverhältnisse. Der Fischreichtum in den Gewässern der Inselgruppe ist zwar sehr gross, doch wird zum namhaftesten Teile auf Langusten gefischt. Die Fische in den freieren reineren Gewässern sind weit schmackhafter als jene der benachbarten Festlandsküste; es finden sich daher zur Sommerszeit stets viele Fischerboote hier ein.
Die Fischer verdingen sich nicht auf Tagelohn, sondern auf Antheil, a parte. Hierbei wird die ganze Fischausbeute“, heisst es weiter. „in gleiche Teile geschieden. Der Patron bezieht für seine Person 1 ½, als Entschädigung für das Boot und das Fischwerkzeug 2 ½ Anteile, sodann, wenn der Patron und vier Mann eingeschifft sind, man 8 Teile macht, von denen 4 der Patron und von den übrigen 4 je einen jeder Matrose erhält. Diese Verteilungen werden wöchentlich oder alle vierzehn Tage vorgenommen.
Über den Fang der Langusten in diesen Gewässern äussert sich der Autor in folgender Weise:
Der Langustenfang geschieht fast ausschliesslich mit Netzen; nach allgemeiner Berechnung werden während der Saison im Durchschnitt 3000 Kilogramm per Boot gefangen. Hauptsächlich fängt man sie mit der Bolecha, einem stärkeren einfachen Wandnetze mit dicken Maschen, manchmal aber auch mit der Angelschnur oder Palangon, die man mit Gibia (Sepia, Tintenfisch) und Sardine ködert, sowie auch, wiewohl seltener, mit dem Tresmallo, einem Wandnetze nämlich, das aus drei übereinander gelegten Netzen besteht, wovon ein dünneres in der Mitte und je ein breitmaschigeres zu beiden Seiten sich befindet. Mit Reusen werden Langusten niemals, wohl aber Muränen und andere Fischsorten gefangen.
Über das Leben der Leuchtturmswächter, der Torreros, das dem Laien sehr traurig zu sein scheint, wird berichtet:
Auf ein Jahr eingeschifft auf dem grössten Schiffe der Welt, verankert an einer der lachendsten Stellen des westlichen Mittelmeeres, das unbeweglich und klippenstarr jedem Sturme trotzt, einem Schiffe, an dessen steilen Wänden die Wogen auf Jahrhunderte hinaus vergebens zu nahen scheinen, haben sie eine bequeme Wohnung, ein Jeder unabhängig für sich, mit dem gemeinsamen Arbeitsfelde in dem, im isolirten Hofraume sich erhebenden Leuchtturm, einen ziemlich ebenen langen Spaziergang auf der Inselhöhe und alle vierzehn Tage erhalten sie frische Lebensmittel und Nachrichten von ihren Lieben. Die Gewohnheit macht ihnen die Abgeschlossenheit weniger empfindlich und die gesunde Luft trägt viel dazu bei, den Aufenthalt angenehmer zu machen. Es ist ein wahres Paradies für Kinder; nach wenigen Wochen, die sie dort weilen, nehmen sie an Kraft und frischer Farbe zu. . . . Auf die jetzigen Leuchtturmswächter schien die Abgeschlossenheit nicht drückend zu wirken, sie genossen vielmehr den schönen Punkt, auf welchem sie weilten. . . Leicht wie das Leben der Wachteln, Turteltauben, Drosseln und Lerchen, welche im Frühjahre und Herbste dahingezogen kommen, um einige Stunden auszuruhen und dann wieder ihren Flug zum benachbarten Festlande und weiter nord- und südwärts aufzunehmen, ist das Leben der dortigen Bewohner. Auch sie sind Zugvögel, nur auf ein Jahr auf ihren Posten angewiesen, und schon wieder die Gedanken auf jenen Leuchtturm richtend, nach welchem sie dann überzusiedeln haben.
Der Autor erwähnt noch, dass mit dem vollendeten 65. Lebensjahre der Dienst der Leuchtturmswächter aufhört und sie sodann in Pension gehen, dass deren Augen durch das blendende Licht der Reflektoren, namentlich beim Anzünden der Lampen in Anspruch genommen, so sehr leiden, dass nur wenige im Alter sich eines guten Gesichtes erfreuen. . . . mit wenigen Worten versteht der Verfasser, uns das Dasein der Leuchtturmswächter auf der Höhe der Hauptinsel der Columbretes zu zeichnen:
Eine labend erfrischende Luft weht auf dem Rücken der Insel, wo keine Wand, kein Ufer die Meeresbrise abhält. Sie bestreicht uns, von welcher Seite sie immer kommen mag, frei von jedem Reflex, der von den sanftgrünen Gesträuchen, welche die Höhen begleiten, gebrochen wird; denn nur stellenweise auf dem Sattel der Sichel tritt der nackte Fels zum Vorschein. Und wenn an kalten Wintertagen der Nordost tobt, der manchmal sogar die Scheiben der Leuchtturmsfenster, welche keine Pfosten oder Sommerläden nach aussen besitzen, einschlägt, so hat Columbretes am Abhange, in der Nähe des Magazins doch eine geschützte Stelle, wo ewig Frühjahr zu herrschen scheint und wo man im Freien geschützt die Natur geniessen kann.
Ein eintöniges Leben mag es allerdings sein, da oben auf der Höhe als Wächter des Leuchtturms. Der Verfasser schildert uns schlicht und einfach nun die kleine bescheidenen Zerstreuung, eigentlich das Hauptereignis in dem gleichförmigen Leben der Torreros in einem lieblichen Bildchen, einem förmlich gemalten Stillleben. Es ist die Ankunft und Abfahrt des Dampfers.
Da werden sehnlichst erwartete Briefe empfangen“, heisst es, „der Proviant entgegengenommen und ein Jeder erhält die Gegenstände seiner eignen Bestellung. Der Kapitän des Dampfers geht hinauf zu den Torreros, trinkt bei ihnen eine Flasche Wein, spricht lange mit allen zusammen, geht dann in jede einzelne Wohnung und nun kommen die Frauen mit ihren Bestellungen. Da sind es Stoffe, welche für sie und die Kinder ausgesucht werden, da Zwirn, Baumwolle oder Wolle, Wein, Stockfisch und allerhand Kleinigkeiten für den Bedarf der Hausfrau, da wiederum Mehl von der vorigen Sendung, welches nicht gleich guter Qualität wie das frühere war und deshalb zurückgeschickt wird. Inzwischen werden Briefe beantwortet, die meteorologischen Daten in drei Exemplaren mit dem vom Torrero erster Klasse unterschriebenen Berichte dem Chefingenieur zugeschickt und eine Liste der verlangten Sachen zusammengestellt, die dem Kapitän übergeben wird, da ein Jeder wieder seine eignen Bestellungen macht. Nach ein paar Stunden, wenn alles dies fertig ist, steigt der Kapitän hinab, um wieder nach Valencia zurückzukehren. Er verrichtet unfehlbar sein kurzes Gebet vor der Mutter Gottes aus eingemauerten Azulejos in der Sala de la Virgen in der Caserna, und alle Torreros begleiten ihn bis ans Ufer. Das Schiff wird von der Boje losgemacht und nach dreimaligem Pfiff entfernt sich schwerfällig der kleine Dampfer, von aller Augen gefolgt. Mit Taschentüchern wird von den Frauen und Kindern dreimal von der Terrasse gegrüsst oder, wenn die Abfahrt abends erfolgt, werden auf die Terrassenmauer Lichter gesetzt, welche man dreimal hebt, sobald sich das Schiff in Bewegung gesetzt hat. Dieser Gruss wird dann noch einmal wiederholt, wenn der Dampfer um die Leuchtturmsspitze herumgefahren ist und wieder auf der andren Seite unter den Abstürzen erscheint. Der Dampfer pfeift von neuem und die Blicke folgen noch dem verschwindenden Wölkchen am Horizonte oder dem allmählich in der Dunkelheit sich verbergenden Lichte.
Erzherzog Ludwig Salvator erwähnt, dass einmal die Idee aufgetaucht sei, auf Columbretes ein Seebad zu errichten. Die Insel sollte „ein Helgoland des Mittelmeeres“ werden, doch dürften wohl noch Jahrzehnte hindurch die Leuchtturmswächter ihr Einsiedlerleben auf dem kleinen Eilande ungestört weiterführen.
Die hübschen Federzeichnungen, deren wir schon gedacht haben, sind willkommene Ergänzungen des instruktiven Textes und tragen ihren Teil bei, dem Leser die ganze Insel-gruppe in allen ihren Einzelheiten anschaulich vor Augen zu führen. Man empfindet nach der Lektüre des Buches geradezu Sehnsucht nach jener Hauptinsel der Columbretes und nach den anderen von Menschen nicht bewohnten stillen Felseninseln, und man weiss dem Verfasser des Werkes warmen Dank dafür, dass er uns jene bisher fremde kleine Welt gezeigt hat
Zante, il fior di Levante – eine kleine Reise auf die Ionische Insel Zakynthos, die Ludwig Salvator 1904 einzigartig monografierte.
Das Ludwig-Salvator-Buchdigitalisierungsprojekt in Kooperation mit der Medienagentur Reithofer & Partner.
Im Frühjahr 2015 fand in Palma de Mallorca – Casal Solleric eine umfassende Ausstellung über Leben und Werk des Erzherzogs statt.
Herbert und der Archeduque – die erste deutschsprachige Filmdokumentation über EH Ludwig Salvator (1983).