ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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Bizerta und seine Zukunft

Druck und Verlag:   Heinrich Mercy, Prag
Erschienen:                 1881

Oktav. 48 Seiten, 1 lithograph. Karte, 11 (inkl. Frontispiz) lithograph. Tafel a. a. Chine und je 1 Kopf- und Schlussvignette nach Zeichnungen des Autors.

Beschreibung der malerischen tunesischen Hafenstadt Bizerta und deren Bucht. Aufgrund ihrer vorzüglichen Lage schlägt Ludwig Salvator die Errichtung des ersten festen Hafenplatzes von Nordafrika vor.

 

AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS MIT ORIGINALZITATEN:

Das kleine, in Form unscheinbare Werkchen giebt eine ausführliche Beschreibung von einem der besten Seehäfen der tunesischen Regentschaft; es ist zugleich mit einer hübschen Karte und einer Anzahl niedlicher Skizzen von der Hand des Verfassers ausgestattet.

Nach Erzherzog Ludwig Salvator ist gegenwärtig Bizerta eine der schönsten Buchten der nordafrikanischen Küste und durch das weit vorspringende Kap Bianco gegen die vorherrschenden Westwinde geschützt. Die Stadt liegt westlich im Hintergrunde der Bucht, welche von langgedehnten, mit Ölbäumen und Feldfrüchten bepflanzten Hügeln umgeben ist. Man vermag überall in der breiten Bucht zu ankern, wennschon der beste und geschützteste Ankerplatz dem Schlosse von Sidi Suleiman gegenüber in 6 – 8 Faden Wasser sich befindet. Die Hauptwichtigkeit Bizertas besteht in seinen Seen, von welchen der Tinja-See (das Hipponitis Palus der Alten) in einen ganz vorzüglichen Hafen umgewandelt werden könnte, wenn man nur die Energie und die Mittel besässe, zwischen der dermaligen Bucht, welche gleichsam als Vorhafen dienen würde, und dem inneren See einen Kanal zu bauen. 

„Am zweckmässigsten wäre dieser Durchstich in dem sichelförmigen Sandufer hinter Bab-el-Ramel auszuführen, wo die Entfernung am geringsten und die Lage, dank dem vorspringenden Kap Bianco, am geschütztesten ist. Der Tinja-See ist von Osten nach Westen ungefähr 8 Meilen lang und 5 ½ Meilen breit und hat eine Tiefe von 5 – 7 Faden. Welch herrlicher Binnensee, der einen Ankerplatz von 50 Quadratmeilen für die grössten Schiffe gewährt und zugleich einen so grossen Reichtum an auserlesenen Fischen besitzt! Wie leicht wäre dessen Mündung zu verteidigen, um ihn gewissermassen zu dem ersten festen Seeplatz Nordafrikas zu machen!

Im Südwesten liegt ein andrer fast ebenso grosser, aber nicht gleich tiefer See, Gharat Dschebel Ishkül genannt (das Sisara der Alten). Derselbe ist mittels eines durchschnittlich 6 Fuss tiefen und 25 Yard breiten gekrümmten Kanals (Qued Tinja) mit dem Tinja-See verbunden.

Das Klima von Bizerta ist mild im Winter und infolge der regelmässigen frischen Mittagsbrise auch kühl und angenehm im Sommer. Dabei ist es sehr gesund, indem der jetzige See gar keine Malaria mit sich führt; dagegen kommen im Frühjahr und Herbst häufig Ophthalmien vor. Obschon Bizerta nur 36 Meilen von Tunis entfernt ist, so besteht doch mit der letzteren Stadt kein reger Verkehr. Derselbe geschieht zumeist auf einer ziemlich schlechten, nach starken Regengüssen gänzlich unwegsamen Strasse. Auch der Postdienst wird auf gleiche Weise mittels Karawanen höchst unregelmässig besorgt.

Bizerta ist phönizischen Ursprungs. Die Bewohner von Tyr gründeten die Stadt und verbanden durch einen Kanal den See mit dem Meere. Der prachtvolle See – Sisera lacus – war im Altertume berühmt. Die Stadt spielte eine wichtige Rolle in den punischen Kriegen. Auch die weitere Geschichte derselben ist sehr interessant. Schon im 1. Jahrh. n.Chr. war sie ein Bischofssitz, im Jahre 661 wurde sie von dem Islam erobert, im 15. Jahrhundert gründeten aus Spanien vertriebene Mauren dort einen Stadtteil, „das Viertel der Andalusier“. Mehrere Jahrhunderte lang, bis zur Einnahme Bizertas durch die Franzosen 1830, hatte Bizerta keine Christen. Seit 1892 ist es wieder ein Bischofssitz. Bizerta zählt 5-6000 Einwohner, darunter 150 Europäer, zum grössten Teil Italiener, von welchen einige sehr wohlhabend sind. Die Industrie befindet sich noch völlig in der Kindheit und ihre Erzeugnisse dienen fast ausschliesslich zum Gebrauch der Einwohner. Der Fischfang bildet eine der Hauptbeschäftigungen der einheimischen Bevölkerung; doch giebt es eine grosse Anzahl von Naturprodukten, welche bei rationeller Benutzung der Bodenverhältnisse zu einer reichen Quelle des Erwerbes sich entwickeln müssten. Wolle, Öl, Weizen, Gerste, Bohnen, Mais, Erbsen, Sorghum, Rinder, Schafe, Häute, Felle und Ziegenhaare u.s.w. werden schon jetzt in nicht unbeträchtlichen Mengen ausgeführt. In vielen Gegenden der Regentschaft liefert der Boden einen Weizen, härter und schwerer als die beste ungarische Ware, und eine Gerste von 70-72, ja selbst 76 Kilo Gewicht, also fast die beste bisher bekannte Braugerste der Welt. 

Die hohe Wichtigkeit Bizertas tritt aber erst recht vor Augen, wenn man die Bedeutung der ganzen tunesischen Regentschaft für den Welthandel in Betracht zieht. Bei einem Flächenraume von mehr als 3000 Quadratmeilen oder einer Grösse wie etwa Bayern, Sachsen, Württemberg und das Grossherzogtum Hessen zusammengenommen, hat Tunis nur eine Bevölkerung von etwa 2½ Millionen Seelen und besitzt gleichwohl eine Fruchtbarkeit, welche den berühmtesten Strecken des ungarischen Banats gleichkommt, vor dem es jedoch den Vorzug eines gleichmässigen Küstenklimas voraushat, welches zwei Ernten im Jahre ermöglicht! Schon jetzt, wo keinerlei intensive Kultur, keine einzige europäische Grosswirtschaft besteht, sondern von der geringen Bevölkerung in echt orientalischer Weise nicht viel mehr gebaut wird, als zu ihrem Lebensunterhalte nötig, zählt Tunis zu den Getreide exportierenden Staaten. Im Jahre 1878 (einem Durchschnittsjahre) betrug der Export von Weisen 261 500, von Gerste 134 400 Hektoliter – Ziffern, welche um so mehr Beachtung verdienen, als sie bei den zahlreichen noch unbebauten Ländereien und der Fruchtbarkeit des Bodens leicht die zehnfache Höhe erreichen könnten. Ebenso würden der Weinbau, die Obstkultur, die Seidenzucht äusserst lohnende Resultate liefern.“

Der Zweck des fürstlichen Schriftchens ist, auf die natürlichen Vorzüge Bizertas, sowie auf die Wandlungen hinzuweisen, welche das jetzt noch so weltabgeschiedene Städtchen mit seinem echt orientalischen Gepräge durchzumachen im Begriffe steht. „Die morgenländische Poesie Bizertas wird bald vor der alles nivellierenden Weltkultur gewichen sein. Dafür wird aber die Stadt jene wichtige Stelle einnehmen, welche sie infolge ihrer naturbevorzugten Lage verdient.