ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres
Mitte Dezember 1894 traf Kaiserin Elisabeth I. bereits zum wiederholten Mal mit ihrem Gefolge auf der gecharterten englischen Segelyacht „Chazalie“ im Hafen von Algier ein, um dort den Jahreswechsel zu verbringen. Am 29. Dezember stieß Ludwig Salvator – der erst wenige Monate davor mit seinem Schiff „Nixe“ vor der algerischen Küste Schiffbruch erlitten hatte – mit dem Passagierdampfer aus Mallorca kommend, zu der Reisegesellschaft und begleitete seine Cousine in den darauf folgenden Tagen bei ihren Ausflügen in Algier und dessen Umgebung. Die Kaiserin ließ sich danach zur Erinnerung an ihre Aufenthalte und deren Impressionen ein Album zusammenstellen, das aus Albumin-Fotografien namhafter algerischer Fotoateliers besteht und die eindrucksvollen Landschaftskulissen Algeriens sowie dessen Menschentypen authentisch wiedergibt. Die von der Ludwig-Salvator-Gesellschaft vorgenommenen Kolorierungen der nun erstmals publizierten Aufnahmen erwecken die verschiedenen Szenerien mittels einer Diashow zu einem wahrhaften „Märchen aus Tausend-und-einer-Nacht“.
Das orientalische Kaleidoskop wird durch eine stimmungsvollen Beschreibung des Vorlesers und Griechischlehrers der Kaiserin (Dr. Constantinos Christomanos) und einen Korrespondenten-Bericht aus Algier nach Abreise der Kaiserin ergänzt.
Korrespondeten-Bericht der österreichischen Tageszeitung „Neue Freie Presse“ vom 15. Jänner 1895
Algier, 14. d.M.:
Kaiserin Elisabeth hat unser herrliches Land wieder verlassen, um sich an die französische Riviera zu begeben; aber noch immer spricht man hier von der edlen Herrscherin, die durch ihre Einfachheit und Leutseligkeit die Herzen aller Bewohner gewonnen hat. Die Kaiserin wohnte bekanntlich im „Splendid-Hotel“, das auf einer leichten Anhöhe, durch eine schmale Thalsohle von der übrigen Umgebung geschieden, liegt. Ein Hain von Oelbäumen, Strandkiefern, Lorbeerbäumen und wilden Pfefferbüschen umschließt das Hotelgebäude. Ein schmuckes zweistöckiges Bauwerk im orientalischen Styl, erscheint es in seiner strengen Abgrenzung und seiner idyllischen Abgelegenheit wie eine befestigte Eremitage. Von der reizenden Fernsicht, die das Gebäude bietet, war schon oft die Rede. Gefällig und geschmackvoll ist auch das Innere des „Splendid Hötel“. Ein großer maurischer Hof, von einem Glasdach überdeckt und durch ein. rothes Zelttuch in gedämpfter Beleuchtung gehalten, dient als Conversationsraum. Um diesen viereckigen Hof arrangiren sich die Wandelgänge mit cannelirten maurischen Säulen und Fayenceschmuck, welche zu den Zimmern der einzelnen Geschoße führen. Das erste Stockwerk diente lediglich der Kaiserin und dem dreizehn Personen zählenden Gefolge. Dem Gebrauche der Kaiserin waren fünf Räume gewidmet, ein Salon, ein Boudoir und drei kleinere Toiletten-Zimmer. Die Gemächer zeigten einfache stimmungsvolle Eleganz. Der Salon ist in Roth gehalten, war mit rothem Stoff ausgeschlagen und mit rothem Meublement ausgestattet. Ein Luster mit bunten arabischen Glaslämpchen hing von der Decke herab. Bilder algerischer Straßenscenen und verschiedene Photographien junger Kabylen und Beduinenmädchen schmückten die Wände. Prunklos wie die Gemächer der Kaiserin, zeigten sich auch Lebensgewohnheiten, Malzeiten und Toiletten. Schon um halb 7 Uhr erhob sich die Kaiserin und brach sofort zu einer Morgenpromenade auf, und zwar meist allein. Um 9 Uhr nahm sie ein leichtes Frühstück. Bald nach demselben begann sie ihren großen täglichen Spaziergang, gewöhnlich von einer der Damen ihrer Suite oder von ihrem Secretär, einem Griechen, begleitet. Gegen 5 Uhr ließ sich die Kaiserin ein nur aus wenigen Gängen zusammengesetztes Diner serviren, das sie, wie die Morgenmalzeit, regelmäßig allein einnahm. Nichts war anziehender, als der Kaiserin auf einem ihrer Spaziergänge zu begegnen. Meist schloß eine schwarze Robe die hohe, ebenmäßige Gestalt ein. Der Gang, sicher und zugleich graziös, schien der einer Dreißigerin. Ein weißer Sonnenschirm schützte gegen die warme afrikanische Wintersonne.
Mehr wie einmal hat die Kaiserin in der Stadt Algier in den engen, dumpfigen Läden der Perser und Araber Einkäufe orientalischer Stoffe und kabylischer Bronze- und Email-Arbeiten gemacht, ohne als Herrscherin Oesterreichs erkannt zu werden. Die Kaiserin hat hier auch Fußtouren von größter Ausdehnung ausgeführt. Ein Marsch von fünf bis sechs Stunden ermüdete sie nur wenig. So hat sie an einem Decembertage den ganzen Weg von Mustapha nach der Kirche Nôtre-Dame d’Afrique und retour, eine Entfernung von ziemlich 18 Kilometern, zu Fuß zurückgelegt. Der Lieblingsspaziergang der Kaiserin war nach El-Biar, einem kleinen Villenstädtchen, das, auf der Hochebene gelegen, einen weiten Blick über die üppige Ebene der Mitidja und auf die bläulichen Kuppen des kleinen Atlas bietet. Besonders lieb war ihr der kleine saubere Platz vor der Kirche in El-Biar, den hohe Palmen und dichte Eucalyptus zieren. Auch dem arabischen Friedhofe galt öfters die Aufmerksamkeit der Kaiserin. Sie spazierte dann langsam zwischen den Gräbern entlang, diesen mohammedanischen Gräbern, deren kleine Marmorsteine die Namen in Goldlettern mit schwungvollen Inschriften aufweisen, neben denen, der Todten gedenkend, Greise und Frauen hocken und auf denen jeden Freitag von den Angehörigen Milch und Brot für den Verstorbenen niedergelegt wird. Mit Interesse betrachtete die Kaiserin die geschnitzten, in Rechteckform zusammengefügten Holzbrettchen, welche die aufgeworfene Erde des Grabes umschließen, und ließ sich manchmal die Verse des Koran entziffern, welche der Holzverkleidung eingezeichnet sind. Sie liebte die ruhige schmucklose Poesie des arabischen Kirchhofes, beschattet von Johannisbrot- und Orangenbäumen, die ihre Früchte zwischen die Gräber streuen. Wenige Personen sind der Einladung der hohen Frau gewürdigt worden. Den Erzbischof Algiers ließ sie einigemale zu sich entbieten. Erzherzog Ludwig Salvator, der wie öfters Algier streifte, verbrachte einige Tage in ihrer Nähe. Der General-Gouverneur Algeriens, General Cambon, machte erst allein, dann am Tage vor Neujahr mit seiner Gemalin seine Aufwartung. Eine Woche später verbrachte die Kaiserin eine Abendstunde im Hause des Gouverneurs. Das Leben der Kaiserin in Algier war ein ruhiges, behagliches, das den Schönheiten der Natur sich widmete und geräuschvoller Geselligkeit gerne auswich, um desto ungestörter die poetischen und erhabenen Schönheiten unserer Natur zu genießen.
Zante, il fior di Levante – eine kleine Reise auf die Ionische Insel Zakynthos, die Ludwig Salvator 1904 einzigartig monografierte.
Das Ludwig-Salvator-Buchdigitalisierungsprojekt in Kooperation mit der Medienagentur Reithofer & Partner.
Im Frühjahr 2015 fand in Palma de Mallorca – Casal Solleric eine umfassende Ausstellung über Leben und Werk des Erzherzogs statt.
Herbert und der Archeduque – die erste deutschsprachige Filmdokumentation über EH Ludwig Salvator (1983).