ERZHERZOG LUDWIG SALVATOR Der Prinz des Mittelmeeres

LUDWIG - SALVATOR - GESELLSCHAFT

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DIE Liparischen Inseln

Druck und Verlag:  Heinrich Mercy Sohn, Prag
Erschienen:               1893-1896

AusgabeTitelSeitenanzahlIllustrationsformErschienen
1. HeftVulcano95 Seiten13 Tafeln33 Holzschnitte1 Karte1893
2. HeftSalina72 Seiten10 Tafeln27 Holzschnitte1 Karte1894
3. HeftLipari158 Seiten28 Tafeln67 Holzschnitte1 Karte1894
4. HeftPanaria30 Seiten8 Tafeln13 Holzschnitte1 Karte1895
5. HeftFilicuri77 Seiten7 Tafeln15 Holzschnitte1 Karte1895
6. HeftAlicuri24 Seiten4 Tafeln11 Holzschnitte1 Karte1895
7. HeftStromboli51 Seiten11 Tafeln13 Holzschnitte1 Karte1896
8. HeftAllgemeines158 Seiten7 Tafeln11 Holzschnitte2 Karten1894

AUS DER BIOGRAFIE LEO WOERLS:

„In jenem Winkel des sicilianischen Meeres, der einerseits die Westküste Kalabriens, andererseits die Nordküste Siciliens einschliesst, liegen, auf der smaragdenen Wasserfläche zerstreut, die Liparischen Inseln. Wenn man von den benachbarten Klippen und Riffen absieht, zählt man sieben, deren bedeutendste Lipari heisst, die auch der ganzen Gruppe den Namen verleiht, sodann folgen ihrer Grösse nach Salina, Vulcano, Stromboli, Filicuri, Alicuri und Panaria. Die mythologische Sage hatte auf den liparischen Archipel das Reich des Äolus versetzt, wohl aus dem Grunde, weil von dieser Richtung her die heftigsten Sturmwinde wehten, die sich dann an der sicilianischen Küste brachen. Die alte Geschichte erzählt uns aber von einem liparischen Staat, der als Vermittler des Handels zwischen Sicilien und dem italienischen Festland zu so hoher Entwicklung und Blüte gelangt sein soll, dass er bald den Neid und die Eroberungslust der damaligen Seemächte reizte. So heisst es, seien die Äoliae oder Vulcaniae insulae zuerst in die Gewalt des berühmten syrakusaner Tyrannen Dionysios geraten, um nicht lange darauf unter karthagische Herrschaft gebracht zu werden, bis die römische Macht auch dieses Inselgebiet in das grosse, gewaltige Reich aufnahm. Erst im späteren Mittelalter ist von den Liparischen Inseln wieder einmal die Rede, als König Robert von Neapel davon Besitz ergreift; da beginnen aber bald traurige Zeiten. Die nominelle neapolitanische Herrschaft gewährt keinen Schutz gegen die Angriffe und Plünderungen der Sarazenen, und endlich erliegt die Stadt Lipari dem wilden Seeräuber Khair Eddyn, Barbarossa genannt, der sie in Asche legt. In den folgenden Jahrhunderten wandern zwar wieder Fischer und Landbauern ein, selbst aus Spanien sollen zahlreiche Familien auf den Inseln sich niedergelassen haben, aber in der Welt- und Handelsgeschichte geschieht seitdem der Liparischen Gruppe fast keine Erwähnung mehr. Der köstliche, vom vulkanischen Boden genährte Wein ist der einzige Bote, der den Namen seiner Heimstätte auf irgend einer table d’hôte verkündet, sonst aber weiss man selbst in Italien nicht viel mehr von Lipari, als dass dort eine gewisse Anzahl unverbesserlicher, öfter abgestrafter Verbrecher in einer Zwangskolonie halbfrei auf Mittel und Wege sinnen, um sich einst an jener Gesellschaft zu rächen, die sie aus ihrem Schosse verbannt hat.“

Es ist daher nicht ohne ein Gefühl des Erstaunens, wenn wir erfahren, dass ein fürstlicher Gelehrter und Schriftsteller, Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich, die armen, halböden, vergessenen Eilande zum Gegenstand sinniger und eingehender Beobachtungen gemacht hat und sie uns bis in die genauesten Einzelheiten in Wort und Bild darstellt. Für den Forscher und Reisenden giebt es heutzutage kaum noch ein Land, das fern genug ist von der zivilisierten Welt, um seiner Thätigkeit ein Feld zu oft höchst romanhaften Schilderungen zu bieten, während das Naheliegende der Beobachtung nicht wert erscheint. Bald sind es die starren Eisfelder des Nordens, bald die glühenden Wüstenländer des Südens, bald der nun fast ausgerottete Urwald Zentralafrikas oder die endlosen Steppen Mittelasiens, die den Reise- und Forschungslustigen anlocken; an der alten Welt aber, an der Heimat, fährt man mit gleichgültigen Blicken vorüber, als ob es dort gar nichts Unbekanntes, gar nichts Sehenswürdiges mehr gäbe. Erzherzog Ludwig Salvator ist indes anderer Ansicht; er hält es für keine undankbare Aufgabe, manche halbvergessene Gegend gewissermassen von neuem zu entdecken und vor den Augen des gebildeten Publikums ein Bild zu entrollen, das so viel Unbekanntes und Interessantes nach allen Richtungen hin darbietet, obgleich dieses Gebiet von Neapel oder Palermo aus nach einer Seereise von nur wenigen Stunden zu erreichen ist. So kam es, dass der fürstliche Autor sich die Aufgabe stellte, die Gruppe der Liparischen Inseln wiederholt zu besuchen.

„Während ich mich mit meiner Schilderung der Balearen beschäftigte,“, heisst es im Vorwort zum ersten Band, „und zu diesem Behufe ab und zu dahin fuhr, hielt ich mich zu wiederholten Malen bei den Liparischen Inseln auf, welche von der Adria aus so ziemlich in der Mitte des Weges gelegen sind. So ging es jahrelang und jedes Mal trachtete ich einen neuen Winkel zu erforschen und neue Bilder zu zeichnen. Auf diese Weise entstanden diese Skizzen und diese Seiten. Die an Ort und Stelle geschriebenen Notizbücher dienten dem Setzer als Manuskript; die unter liparischer Sonne bis ins kleinste Detail gezeichneten Skizzen wurden genau bis auf das unscheinbarste Gerölle auf Holz übertragen.“

Und in der That kann man sich kaum eine gewissenhaftere Arbeit denken als die uns vorliegenden, mehr oder minder umfangreichen Bände. Schlicht und klar fliesst das Wort, aller rhetorische Flitter wird sorgfältig vermieden; der Stil ist einfach, ja schmucklos, dafür aber ist jedes Wort der Sache entsprechend und mit fachkundigem Sinn richtig gewählt. So auch die zahlreichen, prächtigen, künstlerischen Abbildungen, mit denen der Text geschmückt ist, welche dem Beschauer ein deutliches, genaues Bild von dem dargestellten Gegenstand geben.

Das Werk besteht aus acht Bänden, wovon jeder eine der sieben Inseln behandelt, während der achte Band den allgemeinen Teil enthält. In ihrer Zusammenfassung aber gewähren diese Publikationen ein vollendetes Gemälde der liparischen Inselwelt. Geologische Bildungen, Mineralien, Tier- und Pflanzenwelt, der Mensch mit allen seinen Lebensbedingungen, Ackerbau, Fischerei, Jagd, Industrie, Handel, Sitten, Religion, kurz alles, was den Naturforscher, den Soziologen und den Künstler anziehen kann, ist in Wort und Bild genau dargestellt und zeugt von der erstaunlichen Beobachtungsgabe und Gründlichkeit des Verfassers, sowie von dessen voller Hingebung an die gestellte Aufgabe.

Vom statistisch-volkswirtschaftlichen Standpunkte ist der achte Band der bedeutendste; er behandelt die ganze liparische Gruppe. Die ersten zwei Kapitel besprechen ausführlich das milde, infolge der herrschenden Ventilation äusserst gesunde Klima, sowie die topographisch-physikalischen Verhältnisse d.h. Mineralien, Fauna und Flora jener vulkanischen Gruppeninseln, welche, vollständig aus Eruptivgestein bestehend, mit Recht als versteinerte Landschaften bezeichnet werden. Spärlich ist der Pflanzenwuchs, fast gänzlich fehlen die Bäume. Die Hauptkultur bildet der Weinstock, der fast jede andre Vegetation verdrängt hat. Nichtsdestoweniger sind die Felsen am Ufer und die der Kultur nicht abgewonnenen Höhen mit Sträuchern und kleinen Pflanzen bekleidet; besonders die Opuntia kommt überall in Hülle und Fülle, bald die Häuser umringend, bald die Felsenkanten der Küste erklimmend, zum Vorschein.

Die Tierwelt ist jener des benachbarten Siciliens, namentlich Messinas, ähnlich. Seemöven und Wildtauben in grosser Menge hausen in den Höhlen und Klippen, eine Unzahl Zugvögel kommen zweimal im Jahre an diesen Küsten vorüber und die spiegelglatte See wird belebt von ganzen Schwärmen von Puffinen, welche, behend dahinschwimmend oder plötzlich auffliegend, scheinbar mit ihren scharfen Flügelspitzen die Meeresfläche berühren.

Im dritten Kapitel wird in streng objektiver Weise die Bevölkerung in all ihren statistischen und dynastischen Elementen geschildert: Die Zahl der Bewohner, die auf 21 210 Personen angegeben ist; Geschlecht, Sterblichkeit, Kriminalität, Zuwachs, Aus- und Einwanderung u.s.w., mit einem Wort, all jene Momente, die in Ziffern ihren beredesten Ausdruck finden. Nebenbei folgen noch allerlei nützliche Erklärungen und Notizen, wobei dem Verfasser wieder sein so geschickt gehandhabter Stift zu statten kommt, sobald es sich darum handelt, ethnographische Momente, wie z.B. Menschentypen, Volkstrachten, Häuserbau, innere Einrichtung der Wohnungen u.s.w., darzustellen. Über Sitten, Gewohnheiten, Sprache und Volkslitteratur der Liparioten dürfte schwerlich anderswo so viel Interessantes und Unbekanntes zu finden sein, als in diesem Kapitel. Wie treffend und anschaulich schildert Erzherzog Ludwig Salvator die Bewohner der Liparen in folgenden Worten:

„Der Charakter der Liparioten ist sanft und gutmütig, Raub und Mordthaten, von denen man auf Sicilien so viel hört, kennt man hier nicht. Vollkommen sicher kann der Fremde unter diesem gefälligen, heiteren, fröhlichen Völkchen, das schnell das Herz gewinnt, dahin wandern und bald wird es ihm unter den Leuten gefallen, denn sie zeigen, ich möchte sagen naive Zutraulichkeit. Namentlich ist dies bei den jungen Mädchen zu bemerken, denen man ganz allein auf den Höhen begegnet, wo sie scherzend und singend dahinziehen in wahrer kindlicher Unschuld. Dieses naive Wesen derselben zeigt sich recht deutlich am Strande, wo sie kichernd und lachend sich im Meere waschen und hochaufgeschürzt ihre wirklich junonischen Formen unverhüllt den Augen der Vorübergehenden preisgeben, ohne dass ein entfernter Gedanke, dass dies nicht sittsam wäre, in ihnen auftauchte. Ein charakteristischer Zug der Liparioten ist ihre wirklich rührende Liebe zur väterlichen Scholle, die am besten folgende, mir selbst zugestossene Begebenheit darthut:

Die Felsenufer des Pignataru beherrschend, steht ein kleines Haus, von Kaktusfeigen umringt, in dessen Nähe einige Zitronen- und Orangenbäume wachsen. Ich sass gern auf jenem luftigen Astricu mit dem lieblichen Ausblick auf Lipari, das klippenstarre Vulcano und das ferne Sicilien. Zu wiederholten Malen hatte ich in seiner Nähe geankert, als mir eines Tages die Idee kam, die kleine Erdscholle zu kaufen. Ich rief zu dem Zwecke den Eigentümer, einen alten braven Bauern, und gab ihm mein Vorhaben bekannt, wobei er stumm zuhörte. Ich frug, was er dafür haben wolle, worauf er antwortete, dass er nicht wisse, was sein Anwesen wert sei. Ich machte ihm den Vorschlag, den kleinen Grund und das Haus schätzen zu lassen und versprach, das Doppelte des Schätzungswertes zahlen zu wollen. Er ging darauf unter der Voraussetzung ein, dass seine vier Söhne damit einverstanden wären. Abends kam der Bauer wieder und teilte mir mit, dass er nach vielen Schwierigkeiten von den Söhnen eine bejahende Antwort erhalten habe. Ich gab ihm den Auftrag, alle zum Kaufvertrag nötigen Dokumente zu sammeln und dieselben dem Notar zu übergeben, der alles fertig machen würde, worauf er bei meiner Rückkehr auf die Insel, nach etwa drei Monaten, den Betrag ausgezahlt erhalten würde. Wir schieden mit einem herzlichen Händedruck. Abends dampfte ich westwärts. Die Nacht war still und sternenhell, nur ein Rauchwölkchen hing auf der Fossa von Vulcano und lange träumte ich vom sonnigen Astrico von Pignataru, bis die Liparen am Horizonte verschwunden waren.

Nach drei Monaten liess ich den Anker wieder am Pignataru fallen. Der Astricu des Hauses sah ganz festlich aus, die Mädchen hatte ihr bestes Mucadori auf das Haar geknotet und schienen mit Sehnsucht auf meine Ankunft zu warten; ich freute mich im Innern, auf meinem Astricu sitzen zu können. Kaum hatte ich gelandet, kam mir der alte Bauer mit trauriger Miene entgegen und sagte zu mir: ,Herr, ich bitte um eine Gnade. Sie wollen mir den Grund und das Häuschen doppelt bezahlen und ich kann Ihnen dafür nur danken. Aber, seitdem ich es verkauft habe, ist es mir bang im Herzen; wie kann ich mich von der Scholle trennen, die ich von meinen Eltern ererbte; meine Söhne sagen mir, dass der Grund gross genug sei, um noch vier andere Häuschen daselbst zu bauen und dann könnten sie alle neben mir wohnen. Ich will mein Wort, das ich gegeben, nicht brechen, und bitte um die Gnade, dass Sie mich davon befreien.‘

Und da traten die Mädchen mit der gleichen Bitte zu mir und brachten Orangen in ihren Schürzen, die sie mir anboten; selbst die Kinder brachten mir Blumen und weinten und baten, ich möge ihnen das Häuschen lassen, sie wollten keinen Gewinn, sie wollten nur das weiter besitzen, wo sie gross geworden seien, wo sie sich entfaltet haben, gleichsam wie die schönen Kapernblumen, die sich an den unteren Felsen anschmiegen. Mit Rührung betrachtete ich diese Scene, als wir das Astricu erreichten, ich spürte die warmen Thränen der Mädchen, die auf meine Hände wie glitzernde Perlen herabrollten und hörte das durch die Spannung hervorgerufene schnelle Atmen der Kinder. ,Oh, gute brave Leute‘, sagte ich, ,wollt ihr nichts anderes, Haus und Grund sollen euch gehören. Wie könnte ich das Herz haben euch zu entreissen, was ihr so sehr liebt!‘ Aus allen Kehlen wurden Jubelrufe laut, die Mädchen liessen in ihrer Freude die Orangen aus den Schürzen fallen, sodass sie wie Goldkugeln auf den Astricu herabrollten, die Kinder streuten ihre Blumen aus und so bot sich wie durch Zauberkraft ein herrliches Bild.. Da trat aber der Alte gravitätisch vor und richtete an mich folgende kurze, aber warm gefühlte Ansprache: ,Herr, durch deine Gnade habe ich wieder Frieden und Glück, mein und meiner Kinder und Kindeskinder Segen falle auf dein Haupt. Aber das Willfahren der erbetenen Gnade giebt mir den Mut, eine zweite zu verlangen, ohne deren Erfüllung die erste wertlos für mich wäre. Das Haus bleibt mir, aber ich will, dass es auch dein sei; jedes Mal, wenn du herkommst, kehre wieder ein auf diesem Astricu, das dir gefällt, und bleibe unter uns, betrachte uns wie deine Leute und freuen dich an unserer Freude.‘ Dabei ergriffen die Anwesenden meine Hände und als ich die Bitte des Alten zu erfüllen versprach, hatten der Jubel und die Freude kein Ende.

Seitdem sind lange Jahre verstrichen und jedes Mal, wenn ich wieder dort ankere, bringe ich einige Stunden auf dem Astricu zu, labe mich an der entzückenden Aussicht und plaudere mit den guten Leuten, oder höre den heiteren Klängen des Tamburins zu, welche von den nahen Felsenwänden wiederhallen, von dem Gesange rhythmischer Weisen begleitet.“

Die Liparioten zeigen vollständig den Typus der Sicilianer. Die schönsten leben auf Panaria und Salina. „Häufig“, sagt der hohe Verfasser, „habe ich gefragt, ob in Marfa überhaupt ein junges Wesen sei, Knabe oder Mädchen, welches man nicht schön nennen könnte. Insbesondere unter den jungen Mädchen sieht man Gesichter von seltener Schönheit und Reinheit der Züge, auch unter den Knaben giebt es wahre ideale Köpfe. In späteren Jahren kommt allerdings der charakteristische Typus, verlängerte Nasenläppchen und meistens eine etwas krumme Nase mehr zum Vorschein. Eigentümlich ist auch der tiefe Basston, in welchem sie zu sprechen pflegen, und mächtig erklingt die Stimme der Fischer am Fusse der steilen Felswände, wenn sie sich gegenseitig zurufen. Ihre Sprache ist das Sicilianische mit einigen spanischen Worten, ebenso tragen sie die charakteristische rote oder blaue Schärpe um den Leib geschlungen und auf dem Haupte die neapolitanische rote Fischermütze, die sie im Sommer mit einem Strohhut vertauschen. Die Frauen sieht man stets mit dem bunten, rot geblümten Kopftuche, das sie meistens hinter dem Kopfe befestigen, zuweilen auch malerisch um denselben winden.“

Von der Bildung der Einwohner auf den Liparischen Inseln kann der Erzherzog wenig Günstiges berichten. Unwissenheit und Aberglaube sind vorherrschend, was nicht zu verwundern ist, wenn man liest, dass im Jahre 1871 nur 3496 Männer und 389 Frauen lesen und schreiben konnten, und zwar sämtlich auf Liparia; auf den übrigen Inseln war der Geistliche allein des Lesens und Schreibens kundig. In neuerer Zeit hat sich das Verhältnis etwas gebessert, nachdem neue Schulen gegründet wurden. Die religiöse Bildung ist, wie begreiflich, auch sehr gering, dagegen äussert sich das religiöse Gefühl in äusseren Akten und die Masse des Volkes wahrt die tief wurzelnden Gebräuche des Katholizismus. Unzählige Sprichwörter sind im Gebrauch des Volkes; manche stammen aus Sicilien, auf den Liparischen Inseln haben sie aber einen seemännischen Charakter angenommen. Wir fügen einige davon bei:

Die Brust der Frauen ist grösser wie das Meer, es fahren darin ein und aus die Fischerbarken.
Besser arm als dumm sein.
Wo der Grössere vorhanden ist, hört der Kleinere auf.
Stürme und Frauen machen was sie wollen.
Willst du mit den Gerichten nichts zu thun haben, so trage kein Messer bei dir.
Wenn die Hoffnung verloren ist, schreitet die Vorsehung ein.
Die Soldatenliebe ist von kurzer Dauer. Man schlägt die Trommel, lebe wohl, Mädchen.
Der Mann ohne Weib ist halbtot, ohne Geld ist er ganz tot.

Musik und Tanz bilden überhaupt die Hauptunterhaltung der Bewohner. Als einheimisches Musikinstrument haben die Bauern den sogenannten Frantu, ein mehrfach durchlöchertes Pfahlrohrstück, den Dudelsack und das Tamburin. Die Lieder werden eintönig und in einem etwas näselndem, aber recht wohlthuenden, heiteren Rhythmus mit gleicher Kadenz gesungen. Sie haben ihre volle Wirkung, wenn man sie von weitem hört, hauptsächlich wenn die Weiber auf dem blauen Meere rudern und ihre Liebeslieder am Fusse der wilden Abstürze ihrer zauberhaften Küste erschallen lassen.

Sehr sangeslustig sind die jungen Leute, wenn sie den Most bringen, und weithin vernehmbar singen die Weiber beim Feigenpflücken und bei der Feldarbeit. Die Conzuna ist das alte Lied der Überlieferung, die Kundgebung der Liebe und der verschiedenen Gefühle derselben, einige sind von südlicher Glut.
Die auch für den Sprach- und Litteraturforscher interessante Sammlung von Volksliedern hat der hohe Verfasser genau so wiedergegeben, wie er sie aus dem Munde der Liparioten erlauschte:

Von Dir scheidend, theuere Geliebte,
Wie blieb ich arm und betrübt!
Ich blieb unter Seufzen, Thränen und Klagen,
Aus meinem Sinn kann ich Dich nicht entfernen,
Denn im Herzen blieb mir deine Erinnerung,
Der Schaum im Munde und die Schönheit im Sinn.
Wenn ich zu Bette gehe, finde ich nicht die geringste Ruhe;
Denn ich entbehre deiner Freundlichkeit.

Ich möchte wissen, was ihr esset,
Denn immer weiss und rot erscheint ihr mir,
Ich glaube, es muss eine delikate Speise sein.
Je mehr ihr davon esset, desto schöner erscheint ihr,
Wenn an diesem Fenster ihr hinausschaut,
Gebietet ihr Halt den Strahlen der Sonne.
Von so vielen Kinder, die eure Mutter gebar,
Nur ihr für meine Augen scheinet schön.
Das sage ich dir, glückliche Lilie,
Gesegnet die Mutter, die dich gebar.

Meine liebe Königin, öffnet, öffnet,
Haltet nicht mehr diese Thüren geschlossen,
Darinnen haltet ihr ein schönes Mädchen,
Jenes mit den gezuckerten Lippchen;
Lasset sie mich sehen, lasset mich,
Denn eines Tages wird sie die Meine sein.
Was meint ihr dazu?

Ade, Lipari, glücklicher Felsen.
Warum, wenn ich an deinen Namen denke, habe ich keinen Frieden?
Ich erinnere mich nicht, dir etwas gethan zu haben,
Warum zeigst du mir dies zähe Herz?
Vielleicht mir diesem Liede werde ich Frieden machen.
Weinstockblüte!
Der Mond geht seine Bahn über die Welt und den Schlafenden.

Der gewöhnliche Tanz ist die sicilianische Tarantella, der neapolitanischen sehr ähnlich. Eine besondere Volksbelustigung bildet die Erbauung eines Hauses oder eines neuen Terrassendaches auf ein altes Haus. Dieses frohe Ereignis wird mit Tanz und Schmaus gefeiert. Sieht man so ein Fest bei der Glut der Abendsonne, mit der feenhaften Aussicht, die fast ein jedes Haus entweder auf das Meer, oder auf die Höhen besitzt, und hört man die frohen Laute von der Höhe ertönen, so hat dies etwas Märchenhaftes an sich, und man wird unwillkürlich in eine elegische Stimmung versetzt.

Es folgen die Schilderungen der Volksbelustigungen, der Karten-, Kegel- und Kugelspiele, der Hochzeiten, Geburten und Sterbefälle, die auch in Liparien Anlass zu besonderen, vom Verfasser eingehend beschriebenen Feierlichkeiten bilden.

Ausser der Stadt Lipari giebt es auf den Liparischen Inseln nur kleine Ortschaften, die zumeist aus zerstreut liegenden kleinen Häuschen bestehen und eine sogenannte Cuntrata bilden. Die weiss angestrichenen Häuschen auf dem Lande haben überall das platte Dach und eine Terrasse oder Astricu mit drei oder mehr weiss getünchten Säulen, welche ein Rebendach tragen. Eine äussere Treppe führt zu den oberen Räumen. Fast jedes Haus hat eine Cisterne und einen isoliert stehenden Backofen, der wie ein in die Erde gestecktes Ei mit halbkreisförmiger Öffnung aussieht. Die Stallung für das Vieh ist mit einem Vordache versehen, unter welchem man bei Nacht oder Regen die Trauben und Feigen trocknet. Die Kaminöffnungen sind eingemauerte Töpfe ohne Boden, die man, wenn es kalt ist, mit Stroh zustopft.

Ein weiteres Kapitel enthält die auf den liparischen Ackerbau bezüglichen Notizen, wie Bodenausdehnung, Besitzverhältnisse, Agrarverträge, Hypothekenschuld, dann Ackergeräte, Bebauungssystem, Bewässerung, endlich die namhaftesten Bodenprodukte, unter denen Wein den ersten Rang einnimmt, wenn schon auch Obst eine ziemlich wichtige Rolle spielt, während Korn und Hülsenfrüchte kaum für den einheimischen Bedarf ausreichen. Die Kultur der Traube bildet die ausschlaggebende, welche sowohl zur Gewinnung von Wein, wie zur Erzeugung von Rosinen besonders gepflegt wird. Man bereitet aus den schwarzen, ins Rötliche spielenden Trauben Rotwein und den sogenannten Moscato nero, aus den weissen Trauben wird Muscat und Malvagia erzeugt; letzterer, welcher auf der Insel Salina gebaut wird, erfreut sich eines grossartigen Rufes.

Von den übrigen Agrarindustrien verdient wohl nur die Viehzucht eine besondere, obgleich nur relative Beachtung, da es im ganzen Inselgebiet , nach den neuesten statistischen Erhebungen, nicht mehr als 4900 Stück Vieh (Rinder, Schafe und Ziegen) giebt. Ist das Jagderträgnis verschwindend gering, so tritt hingegen der Fischfang als wichtiges Erwerbsmittel hervor. Auf den Liparischen Inseln ist jedermann Fischer, selbst die Frauen lenken die Boote und beteiligen sich am Fischfange. Daher besteht auf den Liparen noch die alte Sitte, dass, wenn bei Sturm eine Barke dem Ufer nahe in Gefahr ist, die Sturmglocke läutet und jedermann, Männer und Frauen, Reiche und Arme an den Strand eilen, um die Nahenden zu retten.

Es darf daher nicht wundernehmen, wenn der Verfasser mehr als 350 Fischerböte verzeichnet und diesen bedeutendsten Erwerbszweig, mit allen damit zusammenhängenden Gerätschaften, in eingehender Weise beschreibt und illustriert. Infolge der äusserst günstigen Lage ihrer Inseln und obgleich im ganzen Bereich nur ein einziger Hafenplatz, und zwar jener von Lipari, vorhanden ist (sonst giebt es nur schottriges Strandufer), haben die Liparen von alters her die Schiffahrt betrieben. Dieser Beschäftigung, die übrigens in der Neuzeit im Aufschwung begriffen ist, hat der Verfasser ein besonderes Kapitel, reich an geschichtlichen und statistischen Daten, gewidmet. Über Bergbau und Industrie weiss er dagegen, trotz seines unermüdlichen Sammelfleisses, nur wenig zu berichten. Ehemals gewann man, besonders auf der Insel Vulcano, beträchtliche Quantitäten Schwefel, Alaun, Borax und aus dem Monte Pilato besonders viel Bimsstein; heutzutage ist jedoch der Bergbau fast gänzlich in Verfall geraten und eine Industrie, die diesen Namen verdient, noch nicht entstanden. Aus diesem Grunde ist auch der Handel von keiner grossen Bedeutung. Die Einfuhr besteht nur in Waren, die zum unmittelbaren Gebrauche dienen, hauptsächlich aber in Weizen und Mais, während die Ausfuhr nur in Bimsstein, Wein, Rosinen, Cibeben, Kapern und wenigen anderen Artikeln bethätigt wird.

Den Schluss des überaus interessanten achten Bandes bilden Notizen über die Verkehrsanstalten, über Behörden und verschiedene lokale Einrichtungen, wie z.B. Spitäler, öffentliche Ämter u.s.w. Diesem Berichte entnehmen wir, dass die Inseln untereinander und mit Neapel und Messina in Telegraphen- und regelmässigem Postdampferverkehr stehen.

Auf Lipari giebt es eine kleine Garnison, hauptsächlich zur Bewachung der Deportierten, deren über 600 vorhanden sind. Die Gefangenen, welche sich dort frei bewegen, können sich einen Nebenerwerb suchen.

Wir gehen zur Besprechung der einzelnen Bände über:

VULCANO
Wenn man von der Nordküste Siciliens nach den Liparischen Inseln hinüberfährt, so erreicht man, als erste derselben, Vulcano. Sie ist wegen ihres grossen, noch drohenden Kraters, der 386 m über dem Meere aufsteigt, und ihres wilden, echt vulkanischen Aussehens, eine der merkwürdigsten. In ihrer klippenstarrenden, häufig in herrlichen Linien sich hinziehenden Gestalt liegt ein eigentümlicher Reiz. Die Insel ist infolge der glühenden Lavastürze bei den Eruptionen des Vulkans fast gänzlich kahl und unbebaut und sieht mit ihrer abgebrannten kupferigen Farbe sehr eigenartig aus. Nur auf der gegen Sicilien blickenden Südseite zeigt sie etwas Vegetation, Weingelände, Feigenbäume und immergrüne Eichen, zwischen denen einige Häusergruppen liegen.
Das 21 Quadratkilometer grosse Vulcano ist mittels einer niedrigen sandigen Landzunge mit Vulcanella verbunden und bildet auf beiden Seiten den doppelten Hafen von Puorto di Puenti und die Levanti. Der Hauptanziehungspunkt und eine stets drohende Gefahr für die Insel ist die Fossa, wie der Vulkan genannt wird. Gar schroff und malerisch sind dessen Abstürze gegen den, mit einer Reihe kleiner Kuppen umrandeten Krater. Gleich einem glühenden Backofen siedet und brodelt es in seinem trichterförmigen Kessel, dem ein erstickender schwefeliger Rauch entsteigt. Namentlich am Abhange des Berges befinden sich viele Öffnungen, welche noch stärker sieden und rauchen wie der Krater selbst. Die ganze benachbarte Gegend, besonders die aus schlackig-poröser, rötlicher Lava mit Tuffstein-Unterlage bestehenden Felsen, sind mit grossen Mengen feinen Sandes überdeckt, der stets vom Winde bewegt wird.

Das Innere der Insel bildet eine breite Fläche, die sich im Süden an das Hochplateau anschliesst und von einer Reihe Bergkuppen umgeben ist. Am Fusse der Abhänge im Westen erhebt sich der Leuchtturm. Die Ufer verlieren hier ihren wilden Charakter, man sieht kleine Häuschen mit Opuntiengärtchen, einzelnen Getreidefeldern und, mitten unter Weingeländen, eine Kapelle mit Glockengiebel. Vereinzelt begegnet man den immergrünen Eichen und es ist eine wahre Wonne, in heissen Tagen, auf der schattenlosen Insel, unter diese tiefschattigen Baumkronen zu flüchten.
An die flache Zunge, welche Vulcano mit Vulcanello, dem alten Vulkan, verbindet, schliesst sich die sanft ansteigende Küste mit schwarzen knotigen Lavafelsen. Deutlich erkennt man verschiedene, von Tuffsteinbänken umgebene, alte, ausgestorbene Kraterformationen. Warme Schwefelquellen steigen im Meere empor, man sieht das Wasser rauchen, und wenn man die mit schwefeliger Kruste überzogenen Steine ausgräbt, steigen starke Dämpfe mit Schwefelgeruch auf,, welche das Meerwasser bis 35-41° R. erwärmen.

SALINA
ist nach Lipari die grösste, bevölkertste und gleichzeitig die reichste unter den Äolischen Inseln. Sie misst 26 Quadratkilometer und besteht aus zwei Kegeln, die durch ein Plateau voneinander geschieden werden und von denen die Muntagne d‘ i Filici 961,71 m hoch, die bedeutendste der Liparischen Inseln, häufig von Falken umflattert wird. Die Insel schaut grünend und lachend aus, da ihre Höhen mit Buschwald bewachsen, die unteren Lehnen mit Weingeländen bekleidet sind, aus deren Grün die weissen kleinen Ortschaften und einzelnen Häuschen freundlich hervorblinken.
Der Hauptort St. Maria nimmt eine breite Strecke des gegen den Kanal liegenden Ufers ein. Die hübschen, mitunter modern gebauten Häuser mit Balkonen gruppieren sich um die stattliche Kirche St. Maria, welche mit zwei Türmchen geschmückt ist. Einen malerischen Anblick gewährt eine Reihe von Fischerhäuschen, welche sich auf einer Art Damm hinziehen, mit Treppen, die von aussen hinaufführen und stets von der Brandung umspült werden. Schön ist auch der Anblick der kleinen Ortschaft Val die Chiesa, welche mit ihrer Kirche, an welche ein Glockenturm angebaut ist, auf einem hohen Felsvorsprung das Meer beherrscht.

Die kleinen Häuschen bei Malfa haben fast alle die zierliche Pergola und eigentümlich gezackte Zinnen zur Verzierung der flachen Dächer.

Die Insel erhielt den Namen von den Salinen, welchen, von einem salzigen Rand umgeben, zur Winterszeit mit Meerwasser gefüllt werden, wo dasselbe im Sommer durch die Hitze verdunstet. Die in Beete eingeteilten fünf Quadrate sind mit starken niederen Mauern umgeben und mit Wasserdurchlässen versehen, welche anstatt mit Schleusen nur mit Steinen und Erde verschlossen werden. Das gewonnene Salz wird nach Lipari geschafft. Einige Häuser liegen am Rande der Salinenbeete, In der Nähe der kleinen Kirche, mit herrlicher Aussicht auf ihrer Terrasse, befindet sich der kleine Landungsplatz für die Barken. Die Küste, fast immer jäh aufsteigend, aus zerfressenen Konglomeratschichten, zeigt die wildesten Uferscenen, die man sich denken kann – Felsenthore, Klippen und Abstürze, und manche Partien zählen zu den malerischsten der Liparischen Inseln.

LIPARI
welche der Inselgruppe den Namen verlieh, ist unstreitig die schönste dieser Inseln; sie ist aber auch die grösste, 37 Quadratkilometer gross, die bevölkertste und fruchtbarste. Der Hauptteil der Insel ist der Weinkultur gewidmet. Die lachenden Reben ersteigen selbst die höchsten Lehnen und dort, wo die Hacke nicht eine Handvoll Erde dem Felsen abzuringen imstande war, grünt noch die Kaktusfeige und reift ihre saftigen, hochroten Früchte. Öl- und Johannisbrotbaum sind weniger vertreten, um so mehr die Weide, die zum Binden der Reben dient, Feigen-, Pflaumen- und Mandelbäume gedeihen, Orangen- und Zitronenbäume sind häufig; die Höhen grünen mit Buschwald.

Auf keiner der Liparischen Inseln giebt es eine so günstige Lage wie jene der Stadt Lipari, im Grund einer ziemlich tiefen, fast vor allen Winden geschützten Einbuchtung. Die Stadt besteht aus einer Feste, die einen Lavafelsenvorsprung, mit fast senkrechten Wänden, krönt, dem Castello und den landeinwärts, am Fusse desselben sich ausbreitenden Häusern, welche bis an den Meeresstrand reichen. Sanfte Lehnen mit Weingeländen ziehen sich bis zu den dahinter liegenden Höhen der Munti Sant‘ Angilu, d‘ a‘ Uardia und Addina hinauf und bis zu den beiden, die Einbuchtung umschliessenden Vorsprüngen des Mazzuin und Munti Rosa im Norden und des Capparo im Süden. Die Gassen sind mit Ausnahme des Hauptweges manchmal so eng, dass man sich von einem Haus zum andern fast die Hand reichen kann. Das Rathaus und die Häuser der Wohlhabenden zeigen zumeist Balkone und es giebt darunter einige stattliche Bauten. Die Gassen sind wenig belebt. Schlachtbänke auf offener Strasse bilden zuweilen die nicht immer reine Staffage, sowie die Reinlichkeit überhaupt viel zu wünschen übrig lässt.

Der gewöhnliche Landungsplatz ist bei der Marina, wo eine Reihe Schiffe ankern. Malerisch nimmt sich die nahe Kirche Anime del Purgatorio aus, welche, auf einer, durch einen schmalen Damm mit der Küste verbundenen Landzunge liegend, gleichsam wie im Meere schwimmend erscheint. Hoch über der Stadt, auf einem Felsen, erhebt sich das alte, mit starken Mauern und Türmen umgürtete Kastell. Der Eintritt in das sogenannte Schlossgebäude führt durch mehrere gewölbte Durchgänge und an Kasernen vorüber. Auf den unteren Felsenvorsprüngen sind halbkreisförmig gestaltete Strandbatterien und in einem grossen viereckigen Turm zwei, gegen die Stadt gerichtete Kanonenscharten, um den Aufgang zu verteidigen. Das Innere des Kastells ist ein trostloses Gemenge von verlassenen, öd aussehenden Kirchen und Häuserruinen, tonnengewölbten Häusern und Kasernen.

Die Domkirche, noch die ansehnlichste der drei hier stehenden Kirchen, besitzt mehrere schöne Marmoraltäre. Von der daran angebauten früheren bischöflichen Residenz ist ein Teil von Gefangenen bewohnt, der andere steht als Ruine, ein dachloses Haus.

Der Fossa d‘ i Ruocchi auf Lipari ist ein ganz deutlicher riesiger Krater mit einem Schlackenvorsprung in der Mitte. Derselbe ist längst ausgestorben, aber die warmen Schwefelquellen, welche am Meeresstrande mehrfach hervorsprudeln, wahren doch den vulkanischen Charakter der Insel.

PANARIA
die kleinste der Liparischen Inseln und zugleich die anmutigste, misst bloss 3 Quadratkilometer und besteht nur aus einem einzigen Kegel, dessen höchste Spitze, der Trumpuni d‘ ‚u Cuorvu, sich 420 m über dem Meere erhebt. Gegen Westen zeigt sie langgestreckte, gegen Südwesten sich senkende Anhöhen mit einer Reihe auf einander gelagerter Vorsprünge, die gleichsam Hügelchen bilden. In einer kleinen Einbuchtung, der Puortu Drauttu, wo die vortretenden Spitzen gewissermassen einen Halbmond zeigen und ein Sandufer umschliessen, ist der Hauptlandungsplatz von Panaria, wo die kleinen Schiffe geschützt ankern können.

Auf zwei wie zernagt aussehenden roten Felsenspitzen sind noch die Überreste einer von Mauren erbauten Feste vorhanden. Das Kirchlein San Pietro auf einer Felsenklippe blickt herab auf die zwischen Lavablöcken liegenden kleinen Fischerhäuschen ohne Fenster und nur mit einer Thüre als Öffnung, daneben der übliche runde Backofen. Am Ufer liegen die Fischerbarken von Panaria, mit ihrem hohen Vorderbug dem Meere zugekehrt, wie bereit, um wieder in die Flut hinaus zu schwimmen. Auf der Ostseite von Panaria, etwa eine Seemeile von der Küste entfernt, erhebt sich ein Dutzend von der Flut zernagter und geschwärzter Felsenriffe.

Vom Dattaru, einem steilen schroffen Felsen, von der Ferne wie eine Pyramide aussehend, hat man einen besonders grossartigen Blick auf das unendliche Meer, die nahen hakenförmigen Felsenspitzen, das vortrefflich sichtbare Stromboli und das tiefblaue, bis auf den Grund durchsichtige Meerwasser zu Füssen.

In der Nähe der Klippe Bottaru befinden sich im Meere siedende Schwefelquellen, deren Wasser man kochen sieht. Sie machen sich durch eine von unten aufsteigende, weisse Säule bemerkbar, welche oben einen Kreis von Blasen bildet.

FILICURI
Mit einer Oberfläche von 9 Quadratkilometer, besteht aus einem 773 m hohen Kegel mit mehreren Seitenerhöhungen. Die Insel ist auffallend kahl und sieht den anderen Liparischen Inseln nicht ähnlich. Einige der Lehnen, welche sich gegen das Meer hin erstrecken, sind in Terrassen eingeteilt, mit Getreide bebaut. Zwei Häusergruppen, der Turrini und jene von Canali mit der weissen kleinen Kirche, liegen freundlich zwischen den Weingärten. Die Küste, von den felsigen Anhöhen überragt, zeigt einen ernsten wilden Charakter, mit schwärzlichen und roten Abstürzen. Durch eine Art Felsenthor gelangt man in den Vorhof der schönen Rutta d‘ u Voi Marinu, wie eine Anzahl Grotten genannt werden, in welche ein Boot mit Mast und Segel einfahren kann. In den Höhlen selbst ist das Wasser krystallhell und wenn aussen das Meer tobt, herrscht innen doch immer vollkommene Ruhe, da sich die Wellen schon vorher brechen. Das Plätschern der Wogen am Ufer klingt wie süsse Melodien und jede Stimme hallt von den rötlichen Lavawandungen der Höhle mit starkem Schalle wieder.

ALICURI
Mit 5 Quadratkilometern, ist die wenigst bedeutendste unter diesen Inseln. Fast von runder Gestalt, besteht sie aus einem einzigen Kegel von 675 m Höhe. Die Insel ist kahl, felsig und der Insel Filicuri ähnlich. Die Abhänge sind ebenfalls in schmale Terrassen mit Böschungsmauern eingeteilt, woselbst Gerste gepflanzt wird. Die kleine Kirche von San Bartolomeo in prächtigster Lage beherrscht die Anhöhen und bietet eine weite Aussicht auf das Meer.

STROMBOLI                                                                                                                                                                                                           der in steter Eruption befindliche Vulkan, gleichsam das von der Natur angezündete Leuchtfeuer, das als Wegweiser auf der Weltstrasse von Messina dient und sicher die interessanteste Insel der Gruppe, hat einen Flächeninhalt von 12 Quadratkilometern. Sie wird aus einem einzigen, 926 m hohen Kegel gebildet, an dessen Seiten sich die Lehnen sanfter gestalten. Zumeist der Weinkultur gewidmet und im Bereich des Vulkans vollkommen kahl, bietet sie deshalb nur wenig spontane Vegetation. Der Ort Stromboli besteht aus einer Reihe zerstreut liegender Häuser, von denen die Mehrzahl in der Nähe der Kirche gruppieren, auf einer am Fusse des Berges Struognuli gelegenen, von den prachtvollsten Weinbergen bedeckten sanften Lehne, und schön heben sich die blendend weissen Mauern von dem Grün der Hänge ab. Die Häuser, mit Pergola von Weinlaub versehen, bilden eine Art Gasse bis zur Kirche und der dreieckige Platz vor derselben, mit der herrlichen Aussicht auf das offene Meer, ist die angenehmste Stelle der Insel, auch von der drohenden Fossa am meisten entfernt. Namentlich abends ist es hier schön, wenn die Sonne sich neigt, die Pyramide des Vulkans ihren wohlthuenden Schatten auf die Lehne und das Ufer von San Vicienzu wirft, und es labend kühl wird. Die Abendbrise spielt mit den Blättern der Weingelände, welche leicht zittern – man dünkt, sie küssen einander über die reifen Trauben hinweg – und am schwarzen Rapillusstrande, der wie ein Rand von Achat das saphirene Meer umsäumt, ziehen, kichernd und fröhlich heimgekehrt von der Arbeit vom fernen Abhang oder vom Fischfang des Tages, die Weiber und Mädchen, im Meere watend, ihre Barken für die Nacht hinauf.

Man sieht auf Stromboli viele neue Gebäude, manche haben Balkone mit Tragsteinen und darauf gelegten Carrara-Marmorplatten. Man hat hier keine Mietshäuser, da jeder, der heiratet, für sich ein neues Haus baut. Häufig sind die Häuser der Kinder in der Nähe, manchmal anstossend an jene der Eltern erbaut, gleichsam wie die Schösslinge einer verblühenden Agave. Uns sie werden alle aus mühsam auf dem Meere errungenem Gelde erbaut, denn die Strombolaner sind alle Seeleute, welche nicht bloss die 65 jetzt der kleinen Insel gehörenden Segelschiffe bemannen, sondern vielfach auch mit anderen italienischen Schiffen fahren. Bauern aus Lipari und Calabrien bebauen den Boden, mit dessen Kultur sich jene Kinder der Wellen nicht befassen.

„Die Häuser baut man auf Stromboli aus Pietra morta, einer schlackigen Lava, rötlich und leicht, die man allenthalben unter dem Boden findet, die Pfosten sind aus harter Lava. Häufig begegnet man einem jungen Manne, der mühsam auf der Schulter eine solche Thürpfoste trägt für das Haus seiner Träume. Wie viele Enttäuschungen in dieser Vision irdischen Glücks! So dachte ich häufig, wenn ich die jungen Leute, schweisstriefend unter der schweren Last, dahin wandern sah. Eine Fülle von Idealen birgt das menschliche Leben und glücklich derjenige, der sie bis an den Abend seiner Tage bewahrt!“

„So weit sie auch der mühselige Erwerb in das Meer hinaustreibt, so sind sie doch in Gedanken stets auf ihrer heimischen Insel und kehren freudig zurück zu der Liebe ihrer Kindheit, die sie wie eine Vision zukünftigen Glückes auf dem schäumenden Meere schützend und stärkend begleitete und ihre Freundin im Leben sein wird; denn sie hängen mit allen Fasern ihres Herzens an der Gefährtin ihrer Tage, die auf Stromboli weilt und für sie betet.“

Den Hauptanziehungspunkt Strombolis bildet der rauchende Krater Muntagna, welcher sich in mehreren Spitzen dem Auge darbietet, deren höchste sich 926 m über dem Meere erhebt. Sie bilden die Ränder des Kraters, dessen stark beissenden, erstickenden und die Lungen angreifenden Rauch man schon von ferne riecht. Die Fossa hat seit der Eruption von 1885 drei Kratermündungen, die man von oben herab an klaren Tagen alle beherrscht. Die grosse der zwei oberen Mündungen weist sechs kleinere kesselartige Öffnungen auf, während die kleinere nur manchmal eruptiert. Die meist auswerfende ist die untere, die bei der Eruption von 1885 fast zur halben Höhe der Sciara d‘ ú fuoco emporgestiegen ist. So lange die Mündung oben bleibt, ist keine Gefahr, sollt sie aber einmal tief hinabsteigen und das Meer erreichen, so könnte ein Sinken des Kraters von Stromboli erfolgen. Die letzte starke Eruption fand im Jahre 1896 statt; die Rauchsäule war etwa eine halbe Stunde lang 300 m hoch.

Es ist ein diabolisches Vergnügen, zu sehen, wie die Felsen herabstürzen und zu hören, wie der Krater dröhnt, bald wie Kanonendonner, bald wie plötzliches Donnergewitter. Namentlich zur Sommerszeit ist es ein Vergnügen, mit einem Boote hinauszufahren und diesen Feuerkünsten der Natur beizuwohnen. Man muss aber, wenn das Wetter schön ist, ziemlich lange, bisweilen eine ganze halbe Stunde warten und die Auswürfe sind obendrein gering. Wenn dagegen der Südost oder Südwest droht und sich eine lange, hohle See, die dem Winde vorangeht, am Fusse des Vulkans bricht, sind die Auswürfe häufig und man sieht ein wahres Feuermeer die Flanken des Berges herabrieseln. Es ist ein seltener Genuss zuzusehen, wie die scheinbar feuerroten Steine zumeist in drei Hauptströmen über die Rapillulehne herabrollen und in wilden Sätzen, unzählige Feuergestalten bildend, endlich ins Meer stürzen. Hier steigen die aus Eruptivsteinen bestehenden Pietra die Strombolicchio in phantastischen Formen empor, ringsum vom Meere umspült. Auf den höchsten, 57 m hohen schmalen Felsen ist mit grosser Mühe eine steile Treppe vom Meere aus hinaufgeführt und oben künstlich ein flacher Teil geschaffen, an dessen Rand die noch übrig gebliebenen nadelartigen Felsen emporragen.

„Gerne sitzt man auf dieser luftigen Höhe und lässt den Blick bald zur schwindelnden Tiefe, bald auf die in der Ferne nach Messina fahrenden Dampfer schweifen. Die ferne Küste von Calabrien umsäumt gelblich und nur schwach hingedeutet das tiefblaue Meer, und gleichsam zwischen Himmel und Erde schwebend, möchte man dort träumen, würde einen nicht dann und wann das Donnern des Vulkans oder das heitere Singen der Fischermädchen, welche gerne am Fusse des Strombolicchio mit ihren Booten sich aufhalten, das eine furchterregend, das andre liebkosend aufwecken.“